Poxymedon

Trompete / Sopranposaune / Flügelhorn / Musikwissenschaft / Songwriting

Nachspielnoten korrekt schreiben

Wer von mir Noten in professioneller Spiel- und Lesequalität will, möge sich mit mir in Vebindung setzen („Kontakt“ am Ende der Seite)!

Hier steht keine Musiktheorie, sondern die elementarsten und grundlegendsten Normen, wie Noten – insbesondere für mehrstimmige Besetzungen – gut leserlich, übersichtlich und anständig nachvollziehbar aufgeschrieben werden, egal ob maschinell oder von Hand. „Nachspielnoten“ sind solche, die jemand für andere schreibt, damit diese sie eben nachspielen – im Unterschied zu Studienpartituren zur vertieften Beschäftigung oder Noten, die jemand nur für sich selbst anfertigt.

Das mag lächerlich wirken, weil es da scheinbar nichts zu beachten gibt, aber wer Noten nur als Notbehelf und selten schreibt und auch nicht für sich selber, sondern für andere anfertigt (z.B. die eigenen BandmusikerInnen), ist wirklich gut beraten, sich dies hier mal durchzulesen, weil diese Normen und Gepflogenheiten nirgendwo veröffentlicht worden sind.

Notentypografie ist paradoxerweise nicht Bestandteil der musikalischen Berufsausbildung, sondern wird als erlernt vorausgesetzt – im Jazz wie in der Klassik ebenso! Laien und Hobbymusiker, die sich u.U. viel Arbeit mit Notenschreiben für ihre Band und andere MusikerInnen machen, aber auch ausgebildete Jazzmusiker, klassische Komponisten (!) und andere Profis, kennen sich mit etlichen Unsitten bei der Niederschrift überhaupt nicht aus, die zu verunglückten Interpretationen und erschwerter Leserlichkeit führen werden. Das ist vermeidbar. Im Text steht, wie.

Hervorragend vorbereitetes Notenmaterial verkürzt enorm die Probenarbeit mit hoher Effizienz und Übersichtlichkeit. Ziel ist es, Noten für andere nie als Kladde, Skizze, Entwurf oder privates Notizblatt aus der Hand zu geben, sondern als gut leserliche Reinschrift (nicht zu verwechseln mit „Schönschrift“), die die MusikerInnen auch ohne die Aufnahme (falls existent) zweifelsfrei nachvollziehen können – falls es sich dabei um eine Coverversion handeln sollte.

Reinschriften als Computernotendruck sind zwar unter Garantie besser zu lesen als Handschrift, nützen aber ebenfalls nur dann etwas, wenn man sich grundsätzlich mit dem Schreiben von Musik typografisch auskennt und vor allem auch mit dem Notationsprogramm, das keine Musiktheoriekenntnisse und auch nicht die Endgestaltung ersetzt (z.B. wenn man den Computer bedenkenlos transponieren lässt und keine Nachbearbeitung der Enharmonik und Oktavlagen vornimmt). Computernoten müssen, egal wie aktuell das Notationsprogramm ist, grundsätzlich grafisch nachbearbeitet werden. Viele Automatismen (vor allem für die Enharmonik, Tonarten, Oktavräume, Transpositoinen, Notenverbalkung (Balkenhöhe und Neigung), Seitenaufteilung, Blockpausen etc.) sind nicht den Notationsgepflogenheiten entsprechend und müssen vom Notenschreiber abgeschaltet oder so modifiziert werden, dass sie wirklich auch Arbeit einsparen, statt neue zu machen. Nur dann ist ein Notensatzprogramm eine ökonomische Hilfe, denn der Eintippvorgang geht nur unwesentlich schneller als die Noten von Hand zu schreiben.

Wer Noten lesen kann, kann damit nicht umgekehrt und automatisch korrekt Noten schreiben, womit nicht Schönschrift von Hand gemeint ist. Es ist ein signifikanter Unterschied, ob jemand Noten nur für sich selber als Merkhilfe schreibt oder für irgendwen anderen zum Nachspielen. Sobald Noten allgemein zugänglich gemacht und möglicherweise veröffentlcht werden – was ich ja hier mengenweise mache – muss die Gewissenhaftigkeit und der Anspruch steigen, die Noten so nachvollziehbar wie möglich zu schreiben, also unmissverständlich und eindeutig, sonst verlieren sie ihren repräsentativen Sinn für das, was hinterher gespielt oder anhand einer Aufnahme nachvollzogen und überprüft werden soll. Gute Leserlichkeit ist lediglich die Grundvoraussetzung, ebenso höchste Kenntnisse in der Elementarlehre der Musiknotation. Doch selbst, wenn dies alles beherrscht wird, gibt es noch viele Fehlerquellen, die erst dann auffallen, wenn Noten sich im Liveeinsatz bewähren sollen. Die Rede ist weit weniger von Orchestermaterial oder Aufführungsmaterial Klassischer Musik – ein Komponist durchläuft eine akademische Ausbildung und lernt, wie Noten professionell zu schreiben sind – sondern es geht um Noten für Bands aller Art und Größe.

Paradebeispiel schlechter klassischer Computernoten

Klassische Komponisten schreiben heute ihre Reinschriften zunehmend selbst mit dem Computer und haben gar kein Autograph mehr (Handschrift auf Papier), weil die Fremdherstellung unbezahlbar teuer ist, egal ob das ein Verlag übernimmt oder jemand wie ich, der sich mit der Musiknotation professionell auskennt. Wie oben schon angedeutet lernt aber ein Komponist nicht, Noten zu schreiben und versetzt sich überhaupt nicht in die spielpraktische Lebensrealität eines Musikers, der das ganze üben und aufführen soll.

Der Komponist Gordon Kampe bekam einen Kompositionsauftrag des Gürzenich Orchesters Köln. Das Werk heißt humoristisch Easy durchfedern und ist sowohl für Profis als auch simultanes, spontanes Laienorchester vorgesehen für das musikvermittelnde Projekt Symphonic Mob. Ich habe als Trompeter mitgemacht und sowohl die Amateur- als auch die Profinoten gesehen und geübt. Die von ihm selbst produzierten Noten sind eine totale Katastrophe, die das Üben sehr erschweren, so dass man keine Lust hat, sie zu spielen. Der Komponist meint, gegen die Notationsgepflogenheiten, die seit Jahrhunderten gelten, neue Regeln aufstellen zu müssen und kennt sich zudem mit vielen Selbstverständlichkeiten überhaupt nicht aus. Dabei hat er Komposition studiert, ist in den Medien stark präsent, hat diverse Preise gewonnen und in Musikwissenschaften auch noch promoviert! Hier sein mahnendes Beispiel gepfuschter Noten:

 

GordonKampe Original

Grundsätzliche Fehler:

  1. Die Amateurmusiker und Laien bekamen B-Trompetennoten, die Profis C-Trompetennoten. Somit war ausgeschlossen, dass die Amateure mit ihren B-Trompeten auch die Profinoten mitspielen können, was aber im Widerspruch stand zum ausdrücklich gewünschten Konzept dieses Konzerts, dass auch die Laien mit den Profis gemeinsam musizieren (Profiorchester & Spontanorchester).
  2. Sämtliche Orchesternoten – also auch die der anderen Instrumente – hatten nur auf der ersten Seite die vollständigen Namens-, Instrumenten- und Werkangaben. Wenn aus dem Aufführungsmaterial Papierstapel gebildet wurden, konnte niemand ab der zweiten Seite mehr an den Noten erkennen, zu welchem Werk und Instrument eine Notenseite gehört.
  3. Es gibt keine Stichnoten in den Einzelstimmen, an denen man sich in Pausen orientieren kann. Da es ein zeitgenössisches und kein anachronistisches Stück ist, kann man kaum durchzählen und ist deshalb auf das Dirigat angewiesen – für Laien und Amateure eine Zumutung.
  4. Die Seitenzahlen waren doppelt auf der Seite und obendrein noch in den falschen Ecken, so dass man raten musste, in welcher Reihenfolge sie anzuordnen waren. Seiten sowohl mit der aktuellen als auch nachfolgenden Seitenzahl zu zählen ist Kanzleistil oder Verwaltungs- und Behördenstil, für Notenblätter aber unbrauchbar.
  5. Dem Komponisten waren die Schrifttypen gleichgültig, so das der gleiche Font für Vortragsangaben, Abschnittsbezeichnungen, Seitenzahlen, Taktzahlen usw. verwendet wurde. Das erschwert die Lesbarkeit. Die unterschiedliche Funktion von Verbalangaben sollte einheitlich mit unterschiedlichen Schrifttypen hervorgehoben werden, um beim Üben im Voraus erkennen zu können, um was es sich handelt.

Weitere kommentierte Stümpereien, die schon im Notenblatt gerügt wurden:

  1. Die Enharmonik ist entsetzlich und eine Zumutung für jeden Profi und Laien sowieso. Den Komponisten interessiert überhaupt nicht, ob etwas gut lesbar ist oder nicht, unabhängig vom Musikstil (hier: Atonalität). Er mischt unnötigerweise Kreuze und Bs, bildet unnötigerweise verminderte Terzen und übermäßige Sekunden und verwendet die Vorzeichen entgegen ihrer harmonischen Logik.
  2. Staccatopunkte werden in korrekt geschriebenen Noten grundsätzlich am Notenkopf notiert und nur in Ausnahmefällen an Balkenseite
  3. Es wurden keine punktierten Pausen verwendet. Das hat zur Folge, dass viele einzelne kleine Pausenzeichen Rhythmik vortäuschen, wo keine erklingt, das Notenbild unnötig anschwärzen und zum Durchzählen kleinster Zeitwerte verleiten, obwohl nur der erste Anschlag eines Viertelschlags zu spielen ist
  4. Die Angabe a2 – dass also zu zweit die selbe Stimme unisono gespielt werden soll – gehört genau über die Note, wo das erstmalig erforderlich ist und nicht über eine Pause davor. Zudem ist die Wiederholung dieser Angabe auf der Seite überflüssig, solange sich daran nichts ändert. Erst beim Seitenwechsel ergibt die Wiederaufnahme dieser Angabe a2 Sinn, um nicht zurückblättern zu müssen, um das nachzusehen.
  5. Taktartwechsel werden nicht mit Doppelstrichen angekündigt, sondern Formteil- und Tonartwechsel. Das hat der Komponist konsequent falsch gemacht bzw. nicht gewusst.
  6. In den Takten 64 und 65 ist die rhythmische Gliederung irreführend und erschwert das Nachvollziehen. Gerade in atonaler, Neuer Musik muss die Aufteilung in einzelne Viertelschläge absolut stichhaltig sein, weil solche Musik grundsätzlich ametrisch komponiert wird und jegliche metrisch hörbare Orientierung fehlt.
  7. Die permanente Wiederholung der Dynamikangaben ist überflüssig (schwärzt die Seite unnötig, suggeriert Veränderung, wo keine stattfindet), solange sie sich nicht ändert. Ein einfaches „sempre“ genügt, um sich die wiederholte Dynamik solange zu merken, bis sie sich tatsächlich ändert.
  8. Die Wahwah-Angabe in Takt 67 ist irritierend bzw. falsch, weil nirgendwo zuvor eine Dämpferangabe stand und hier im Spielfluss gar keine Zeit komponiert wurde, einen solchen Wahwahdämpfer einzubauen. Wenn der Effekt mit der bloßen Hand erzeugt werden soll, fehlt der dezidierte Hinweis darauf.

Hier die Korrekturfassung:

Korrekturkommentar, soweit er nicht die bloße Verbesserung der obigen Fehler betrifft:

  1. Die Transposition in C wurde beibehalten, weil die Originalstimme für professionelle Orchestertrompeter gedacht ist, die eine C-Trompete besitzen müssen. Für Amateure/Laien müsste eine revidierte zweite Ausgabe mit B-Transposition angefertigt werden. Wenn der Komponist aber sowieso auch an B-Trompeten denkt, wieso schreibt er sie dann nicht auch für die Profis vor? Die Amateure/Laien bekommen nämlich eine eigene B-Stimme (völlig andere Noten)
  2. Es gibt bis auf eine einzige Ausnahme keine Kreuze mehr als Vorzeichen, sondern konsequent Bs, die intervallisch korrekt verwendet wurden. Die Ausnahme: Takt 54, denn vorher wurde immer as benutzt. Das gis bereitet hier daruf vor, dass der nächste zu erwartende Ton noch höher ist. Man ist nach so häufigem as nun auf der Hut und tatsächlich kommt im nächsten Takt ein A!
  3. Die Wahwah-Angabe in T67 wurde präzisiert und als Hand-Plunger ausgelegt, weil nirgendwo sonst ein Dämpfer vorgeschrieben ist und dies die logischste Erklärung ist. Der Wahwah-Dämpfer hat einen besonders typischen Klang, der mit der Hand nicht imitierbar ist. Deshalb ist der einzige ähnliche Dämpfer, der dem Handeffekt nahe kommt, der Plunger (Gummipümpel), der den ganzen Schallbecher graduell schließen kann.

Grundvoraussetzungen

Noten lesen zu können heißt nicht im Umkehrschluss, Noten auch korrekt schreiben zu können. Was als verbindliches Notenmaterial schriftlich aus der Hand gegeben wird, muss absolut stichhaltig und repräsentativ sein und darf keine beliebigen Absprachen implizieren, die nur die Band (oder der Komponist) kennt nach dem Motto >>Das haben wir hier immer so gemacht und dort musst du das so spielen…<<. Alle Vereinbarungen, die mündlich getroffen werden, sind auch in der Notation ohne Einschränkungen möglich und seit Jahrhunderten üblich, so dass es keinen Grund gibt, Musik, die in ihrer Form ja doch immer identisch aufgeführt wird, nicht auch so zu notieren. Dass es eine Selbstverständlichkeit sein muss, sauber und ordentlich leserlich das ganze aufzuschreiben, muss leider hier mit Nachdruck geschrieben werden, weil im Hobbybereich die Sorgfalt in solchen Dingen absolut zu wünschen übrig lässt und selten jemand ein Notationsprogramm verwendet. Sehr oft herrscht eine Mischung aus Verbalnotizen, Blockbildern, Zahlen, dilettantischen Formteilbezeichnungen und typografisch katastrophalen Notensymbolen vor. Das ganze lässt eher an einen vollgeschmierten Tisch in einer Schule denken als an eine Orientierungshilfe. Beim Lesen und Schreiben von Wörtern und Texten klafft dieses Missverhältnis nicht so weit auseinander wie in der Musik (Legasthenie ausgenommen), weil das unser Alltag ist, nicht aber in der Musik.

Notentypografie und Stimmenmaterial:

Es folgen hier elementare Grundregeln für alle, die keine Ausbildung als Arrangeur oder Komponist haben (können oder konnten). Wer den professionellen Weg des Arrangeurs einschlägt – egal ob hauptberuflich für fremde oder nebenberuflich für eigene Stücke – muss sich ein Notensatzprogramm zulegen, weil das heutzutage der Standard ist. Man hat permanent Noten zu schreiben und abzuändern, umzuarrangieren und passender einzurichten für die jeweilige Besetztung, in der man spielt – wenn man gewissenhaft arbeitet.

Probenalltag in Bands mit und ohne Noten

Wenn beliebige Musik mit fremden MusikerInnen gespielt werden soll, müssen diese Leute sich zuhause und mindestens eine Woche vor der ersten Probe bzw. Aufnahme gut vorbereiten können. Das geht ohne Noten oder Demoaufnahmen nicht. Deshalb muss das Material, das dafür in Umlauf gebracht wird, erstklassig sein. Bläser, Streicher und Tastenspieler müssen ihr Stimmenmaterial schriftlich und möglichst lange vor der Aufnahme erhalten, damit in der Probe (bzw. im Tonstudio zum Aufnahmetermin) nicht nutzlos Zeit verschwendet wird, um die unbekannten Noten fehlerhaft vom Blatt zu spielen und permanent Irrtümer klären zu müssen. Nur hervorragende Profis können das makellos, nicht aber diejenigen Musiker, die als Freunde und Bekannte den Bands zur Verfügung stehen und als gute  Amateure  oder semiprofessionelle Studenten überhaupt in Frage kommen. Ohne erstklassige Noten kostet es zu viel Zeit, den Leuten – womöglich mehrstimmig – die zu spielenden Passagen akustisch durch Vorsingen und Vorspielen und in ihrem Formverlauf beizubringen, weil auch unter guten Amateuren die Merkfähigkeit von Musik rasch an ihre Grenzen kommt. Ferner ist die Spielweise der Stimme auf dem auszuführenden Instrument völlig anders als auf dem Referenzinstrument, mit dem die Stimme den Leuten beigebracht und vorgespielt werden soll. Ein Ton besteht schließlich nicht nur aus Tonhöhe und Dauer, sondern auch aus Lautstärke, Artikulationsart, Phrasierung und Klangfarbe. Diese wichtigen Hinweise  müssen den MusikerInnen im Kopf sein, wenn sie Gastmusiker einsetzen wollen. Jeder Helfer, der für die Band extra Noten für andere schreiben soll, weil das niemand in der Band kann, kostet zusätzliches Geld.

In Hobbybands kommt es über Jahre immer wieder zu Umbesetzungen, weil jemand umzieht, aus der Band aussteigt, rausgeschmissen wird oder die Band erweitert werden soll. Ich als Trompeter habe das permanent erlebt, selbst wenn langjährige feste Bandmitgliedschaften bestanden, egal ob ich der Rausgeschmissene oder Neuling war. Wenn man dann hervorragend gut vorbereitetes Notenmaterial bekommt, verkürzt sich die Einarbeitungsphase mehrerer Monate auf nur noch zwei Proben, weil erstens nicht während einer Probe nicht notierte Musik vorgespielt und auswendig gelernt werden muss, sondern weil zusätzlich zur heimischen Vorbereitung (=üben!) die Noten ja immer in der Probe vorliegen und je nach Veränderungswünschen nachgebessert werden können. Hierbei ist wichtig, wer diese Noten aufbewahrt. Alle Noten, die ich hier auf meinen Webseiten veröffentliche, habe ich auch selber aufbewahrt, womit sie den jeweiligen Bands mit meinem Fortgang auch verloren gingen, weil die Bandmitglieder überhaupt gar keinen Wert darauf legten, Kopien anzufertigen nach der Devise >>Ich kann sowieso nicht Noten lesen, also bewahre ich sie auch nich auf.<< Selber schuld, schön blöd. Wenn Songs im Repertoire bleiben sollen, die irgendwann mal wieder gespielt werden sollen, muss ein Notenarchiv angelegt werden (dicker Aktenordner), um jederzeit auf das Stimmenmaterial zugreifen zu können. Das betrifft auch die Rhythmusgruppe, die sich nur mit Akkordsymbolen, Formverläufen und „Tabs“ (Tabulaturnotation) begnügt, weil das Gedächtnis endlich ist. Spätestens, wenn jemand Bandleader und abzusehen ist, dass die Band noch in der Gründungs- und Findungsphase ist oder sowieso live nur mit Aushilfen existiert, die nicht feste, permanente Bandmitglieder sind (Bläser wie ich zum Beispiel), muss zweifelsfreies Notenmaterial existieren, das an beliebige Einspringer, Nachrücker, Nachfolger, Notbesetzer, Krankheitsvertreter usw. bedenkenlos ausgehändigt werden kann. Das klappt nur mit professionell geschriebenen Noten reibungslos, weil dann keine Rückfragen entstehen, die mit der Notation selbst zusammenhängen.

Wie werden Noten typografisch korrekt geschrieben?

Was hier nicht steht, sind die Grundlagen der Notenschrift, die als Minimum vorausgesetzt werden müssen. Auch stehen hier keine Arrangierregeln und satztechnische Tipps. Hier stehen nur diejenigen das Aufschreiben von Musik betreffenden Wichtigkeiten, die auch Musikstudenten oder Orchesterprofis regelmäßig falsch machen, die bisher immer nur für sich selber oder Laien Noten geschrieben haben oder auf dem Gebiet des Notenschreibens als Spielstimme völlig unerfahren sind. Man hat sich mit dem Anfertigen von studio- und probentauglichem Notenmaterial nie auseinandergesetzt, welches fremden, musikalisch ausgebildeten Leuten  und auch notenfesten HobbymusikerInnen in die Hand gedrückt wird. Selbst Studierende, die sich mit einem Notensatzprogramm erheblich die Arbeit erleichtern, bekommen das Layout und die Typografie nicht abgenommen. Es gibt mutmaßlich noch kein Lehrbuch, das die nachfolgenden Punkte für alle einmal auflistet und für eine Vermittlung von Grafikstandards sorgt, wie sie bei Notenverlagen üblich sind und wie sie eben nicht von einem Notationsprogramm automatisiert erledigt werden. Vernünftiges Notenmaterial, das keine Wünsche offen lässt, verkürzt radikal die Einarbeitungs-, Proben- und Aufnahmezeit und unterbindet permanentes Rückfragen und Vergewissern, weil etwas unleserlich oder missverständlich notiert wurde.

Ohne, dass mit den nachfolgenden Hinweisen jemand zum Notengrafiker gemacht werden soll und kann, handelt es sich um die häufigsten Fehler und Vergesslichkeiten bzw. Unkenntnisse, die den Notenschreibern deshalb passieren, weil sie meist die Komponisten sind, die das Stück zu gut kennen, um sich in die Spielpraxis anderer hinein zu denken und die schließlich auch nicht die Einzelstimmen selber spielen, die sie arrangieren. Eine weitere Ursache für schluderiges Notenmaterial ist das Fehlen einer Partitur. In der Rock- und Popmusik werden keine Partituren geschrieben, da es keine Veröffentlichungskultur dieser Musik in Noten gibt. Die Anfänge der Rockmusik sind von einem Bandinstrumentarium gekennzeichnet, das sich auf die Formel Melodie + Akkordsymbol reduzieren lässt. Dafür braucht man wirklich keine Partitur, sondern bestenfalls ein Songblatt (=Leadsheet). Für zusätzliche Instrumente bei Studioaufnahmen werden Einzelstimmen mitunter spontan geschrieben, nie aber Partituren.[1]

Ästhetik ist kein Selbstzweck!

Man muss wissen, dass es nicht darum geht, einer Notationsästhetik zu huldigen und sie einzuhalten, „weil es so gemacht wird„, toll aussieht, schick ist oder vielleicht einen Bildungsvorsprung dokumentiert, sondern weil vernünftiges, anständiges und sehr gut nachvollziehbares Notenmaterial ökonomisch ist und sofort zum gewünschten Ergebnis bei der Einarbeitung und Probe führt, weil eben keine Fragen offen bleiben. Wichtig ist dabei allerdings auch der Respekt der Gastmusiker vor dem Notenschreiber, weil saubere, typografisch gut geschriebene Noten professionell aussehen und dazu führen, mit der Musik sehr ernst genommen zu werden und  – psychologisch betrachtet  – viel gewissenhafter mit der Einarbeitungszeit umzugehen. Zeit ist Geld. Gänzlich unwichtig ist, ob Notenmaterial von Hand oder mit Rechner geschrieben wird, weil auch ein Computerausdruck völlig unbrauchbar sein kann, wenn keine Notationsgrundregeln bekannt sind oder solche nicht beachtet werden. Selten ist aber eine exzellent saubere Handschrift derjenigen einer geschlampten Computernotaion überlegen.

Die häufigsten Fehler in schlechtem Notenmaterial

  1. Die Handschrift ist hundsmiserabel geschmiert und unleserlich. Es wird keine Reinschrift angefertigt, sondern der Entwurf mit allen Durchstreichungen und Korrekturen als Kopie rausgegeben
  2. Es wird nur notiert, was zu spielen ist, nicht aber die Pausen und Formteile, in denen nicht zu spielen ist, sich wiederholende Abschnitte werden nur einmal notiert und mit wiederholten Spring- und Blätterverweisen zugewiesen.
  3. Es fehlen Taktzahlen und alle Namen für Formteile (Strophe, Refrain, Interlude usw.) und etablierte Formteilnamen werden durch Buchstaben ersetzt („der A-Teil“, „der B-Teil“ usw.), notenidentische Stellen bekommen irrtümlicherweise formidentische Benennungen
  4. Pausenblöcke werden ohne Formteilunterteilungen rigoros zusammengefasst und bei Wiederholungen falsche Formteilblöcke gebildet
  5. Bei mehreren Notenblättern steht der Songname nur auf dem ersten, ab Seite 3 werden die Seitenzahlen und sogar die Stimmenbezeichnungen (für welches Instrument sie ist) vergessen
  6. Takte am Ende einer Zeile werden aus Platzmangel geteilt und in der neuen Zeile fortgesetzt
  7. Kauderwelsch aus englisch, deutsch, musikalischem italienisch und kryptischen Angaben aus Pfeilen, Kringeln, Rahmen und anderen erfundenen Symbolen
  8. Dilettantische, wilde Mischung der Vorzeichen, oder Vorzeichen vor jeder Note anstatt Tonartangaben, Unkenntnis im korrekten Gebrauch von # und b sowie dem Auflösungszeichen insbesondere in Akkorden, Licks und Chromatismen
  9. Alle Noten sind bei Handschrift unterschiedlich groß und Hilfslinien zu dicht geschrieben, die Notenplatzierung ist indifferent weder einer Linie noch einem Zwischenraum zuzuordnen
  10. Transpositionsfehler oder vielmehr Unkenntnis darüber, was ein „transponierendes Instrument“ ist
  11. Das Originalblatt bekommt relevante Eintragungen am äußersten Papierrand, die beim Fotokopieren, Lochen oder Einheften  nicht erfasst werden und verloren gehen
  12. Noten aus dem Computerdruck werden winzig klein gedruckt, nur um sie auf eine Seite zu quetschen
  13. Für Bläser werden bei Haltetönen und langen Noten, die am Taktstrich enden, die Atemzeichen weggelassen/vergessen oder nicht daran gedacht, dass  der Rest der Band die selbe Stelle zu spielen hat
  14. Coverbands: alle Bandmitglieder benennen ihre Formteile anders, was zu permanenten Rückfragen und Missverständnissen führt. Identische Formteile dürfen nie identisch benannt werden!
  15. Falsche Abkürzungen: sich wiederholende Einzeltakte werden mitten im Formteil einfach mit Doppelpunkttaktstrichen abgekürzt, um sie nicht erneut hinzuschreiben (handschriftlich wie maschinell), fehlen dann aber in der Summe der Taktzählung. Oder umgekehrt: mehrere Takte, die in anderen Stimmen zwischen Wiederholungszeichen (Doppelpunkten) stehen, werden ausnotiert und vermehren somit die Taktzählung. Beides ist bei Rückfragen und Besprechung von Formteilen unbrauchbar. Zu wiederholende Einzeltakte müssen stattdessen entweder so oft ausnotiert werden, wie sie wiederholt werden, oder mit dem Faulenzersymbol plus Wiederholungsziffer abgekürzt werden, wobei bei Seitenwechsel der Originaltakt wieder hingeschrieben werden muss. Genau hier nimmt einem das Notationsprogramm das Denken nicht ab, wo jeweils der Seitenumbruch ist.

Kommentare zu den Fehlern, sofern überhaupt notwendig

1) Falls für eine Tonaufzeichnung Gastmusiker nur einfache Fill-Ins ausführen müssen, darf ausnahmsweise dieser Aspekt lockerer gehandhabt werden (dann werden nur die wenigen tatsächlich zu spielenden Stellen ausnotiert, immer mit einigen Takten Einzählhilfe vorweg, in denen Stichnoten anderer Instrumente stehen), nicht aber im Falle von Livedarbietungen! Der chronologische Ablauf hat hierbei höheren Wert als Papiergeiz und Schreibfaulheit, weil das Springen in verschiedene Musikabschnitte immer zu Konzentrationsfehlern führt.

3/14) Alle Songabschnitte müssen Namen bekommen! Namen sind für die Verständigung über die Musikteile erheblich schneller als Taktzahlen, die immer wieder abgezählt werden müssen.  Namen haben vor allem semantischen Wert,  sie tragen also Bedeutung, Zahlen nicht. Mit dem Namen ist sofort Ort (vorne, mitten drin, hinten oder am Schluss des Stücks) und Funktion des Formteils klar: Refrain, Strophe, Interlude, Posaunensolo, Reprise, Coda usw. Wenn keine Namen vergeben werden, liegt das unerwarteterweise sogar daran, dass Bands gar nicht wissen, ob sie einen Formteil nun Strophe oder Bridge oder Refrain benennen sollen, weil alles ineinander übergeht oder schlecht abgegrenzt werden kann. Dann erfindet irgendwelche Namen, selbst wenn sie nur als Arbeitstitel gelten! Hilfreich sind zur Not Songtextzitate als Name für den Formteil, um sich am Gesang zu orientieren. Formteile werden übrigens mit einem Doppeltaktstrich voneinander getrennt. Leider wird von Laien auch der dumme Fehler gemacht, Abschnitte und ganze Formteile identisch zu benennen, bloß weil sich dort Note für Note alles wiederholt. Das führt zu Verwirrung, weil dann im Notenbild der selbe Name mehrfach vorkommt und nicht klar ist, an welcher Position weitergespielt werden soll. Indizierung der Namen oder Buchstaben (z.B. A1, A2, B‘, B“, Bridge 2) schafft sofort Eindeutigkeit und Abhilfe. Solche Doppelbenennungen entstehen beispielsweise per Notensatzprogramm automatisch, wenn die Abschnitte und Formteile mit ihren Bezeichnungen einfach nur woanders hin kopiert werden, ohne dass der Name verändert wird. Der Rechner numeriert keinen Formteil automatisch durch!

4) Das Fehlen ausnotierter Blockpausen verhindert die Orientierung im Ablauf des Stückes genauso wie das rigorose Zusammenfassen aller Pausen hintereinander zu Blöcken. Wechselt der Formteil, darf dieser Wechsel nicht in einer Blockpause integriert (geschluckt) sein, sondern die Blockpause muss aufgebrochen und genau dort unterteilt werden, wo sich Formteilwechsel befinden, sonst werden die Musiker irritiert, weil von Formteilen die Rede ist, die sie nicht im Notenbild wiederfinden. Sie können so nie für ihren Einsatz angezählt werden. Im Extremfall muss ein ganzer Formteil als Blockpause dargestellt werden, wenn die betroffenen Musiker dort zu schweigen haben. Unüblich ist das jedenfalls nicht. In Blockpausen dürfen keine Wiederholungszeichen vergessen werden, also nicht die tatsächliche Wartezeit auszählen und als Blockpause notieren, sondern die Wiederholungszeichen als Taktstrichbegrenzung der Blockpause einfügen. Werden, im Gegensatz dazu, keinerlei Mehrfachpausen zu Blöcken zusammengezogen (lohnt in Maschinenschrift ab 5 Takten, in Handschrift schon ab 2), ist das ebenso redundant und lesefeindlich. Falsch ist es auch, den Pausenbereich über den Balken der Blockpause zu schreiben („Takte 34-51“), dort gehört die Mengenziffer der Pausen hin, wie viele Takte pausiert werden muss, damit man die Takte mitzählen kann.

5) Musiker, die primär nach Noten spielen, haben immer viele davon bei sich und zu Hause. Alle Noten werden gestapelt und für jeden Anlass neu zusammen gestellt. Wenn dann Einzelseiten keinen Titel tragen, fällt die Zuordnung sehr schwer, wenn Unordnung entsteht. Manchmal kann ein Notenblatt durch den Notationsstil zugeordnet werden, aber bei Amateuren ist bisweilen sogar die Mischung von Hand- und Computerschrift verbreitet  und dann funktioniert  das auch nicht mehr. Die Seitenzählung muss ab 3 Seiten deshalb  ebenso unbedingt hinzu, weil die Noten bis aufs Titelblatt sonst völlig gleich aussehen und die Reihenfolge unklar ist oder ständig neu überlegt werden muss,  wie diese war.

Die Stimmenbezeichnung ist deshalb auf jedem Blatt wichtig, weil viele Musiker mehr als nur ein einziges Instrument spielen und bloß anhand der Notation das Instrument nicht zugewiesen werden kann (z.B. Alt- und Tenorsaxofon,  Gitarre/Keyboard). Notenblätter können unter Musikern bei der Probe durcheinander geraten und der Trompeter spielt dann vielleicht aus  der Saxofonstimme, wenn das nicht durch die Instrumentenangabe auf jedem Blatt ausgeschlossen wird.

6) Geteilte Takte sehen wie zwei Takte aus und führen voraussehbar zu Zählfehlern. Das Problem entsteht nur bei Handgeschriebenen Noten, um Zeilenreste noch zu beschriften und Platz zu sparen. Es bringt aber überhaupt nichts, wenige Papierzentimeter mit ein paar Achtel- und Viertelnoten zu beschriften, den Takt zu teilen und in der nächsten Zeile weiterzuschreiben, noch dazu in ungleichen Hälften. Geteilte Takte sind nur bei extrem langen Notenläufen aus 16tel- oder 32stel-Noten zwingend, die gar nicht mehr in eine einzige Notenzeile passen können. Deswegen passiert das in Handschrift gerne, weil man sich verschätzt, wieviel Platz die eigene Notenschrift braucht, um den Zeilenrest noch nutzen zu können oder darauf zu verzichten. Es sieht zwar seltsam aus, am Zeilenende immer einen unbeschriebenen Rest zu haben, verschwenderisch ist das aber keineswegs, weil nur noch ganze Takte in einer Notenzeile stehen. Man kann von Hand ja Noten viel enger und weiter schreiben als ein Notenprogramm das zunächst automatisch produziert.

8) Hier helfen (leider) keine bloßen Grundkenntnisse des Notenschreibens mehr, sondern Kenntnisse der Stimmführung, Harmonielehre und Intervallik in Kombination mit einer ökonomischen Leseweise und Enharmonik. Es ist ein Vorurteil zu glauben, dass  Noten wie Ces, Fes, A-is, E-is und alle Doppelvorzeichentöne nicht verwendet werden (dürften) oder schlecht lesbar seien. Sie sind oftmals absolut notwendig, um vor allem Terzen, Quarten und Quinten im Notenbild schnell erkennen zu können und sie führen zudem die melodisch-harmonische Logik im Denken des linearen Lesens (das gilt aber genauso für Akkorde  bei Harmonieinstrumenten). Absolut grausam sind in diesem Zusammenhang Wechselnotenrepetitionen, bei denen der Stammton in regelmäßiger Folge ein Vorzeichen bekommt und dieses wieder aufgelöst wird (b h b h b h b h). In diesem Beispiel brauche ich 8 Vorzeichen, mit einem einmal geschriebenen Ces oder A-is bloß 2!

10) Vorallem Rockmusiker, die ihr Leben lang nur in ihrem E-Bass- oder Gitarrenkosmos  gedacht und musiziert oder sich als notenunkundige, auswendig spielende Sänger oder Drummer ohnehin nie über andere Instrumente und deren Notation Gedanken gemacht haben, wissen überhaupt nicht, was ein Transponierendes Instrument eigentlich ist und wie es korrekt notiert wird, damit die Instrumentalstimme so klingt, wie sie komponiert wurde. Nun, das ist elementares Allgemeinwissen der Musik, das als bekannt vorausgesetzt werden muss und  hier nicht hingehört, sondern für Ahnungslose nachzulesen ist.[2] Zu den in der sogenannten „Unterhaltungsmusik“ zählenden transponierenden Instrumenten zählen: alle Saxofone, Trompeten, Klarinetten und sogar die Gitarre und der Bass selbst. Es gibt noch viele Orchesterinstrumente, die selten im Rockpopbereich eingesetzt werden – darunter das (Wald-)Horn – doch das würde hier zu weit führen und muss wirklich bei Bedarf nachgelesen oder einem routinierten Arrangeur überlassen werden.

11) Studenten können auch nicht unbedingt mit einem Kopierer umgehen, sonst wüssten sie von Zoom- und Verkleinerungsfunktionen, doppelseitiges Kopieren, Randlöschung usw. Jeder legt die Vorlage 1 zu 1 auf das Glas oder lässt es einziehen und macht dann blind eine Kopie, ohne auf jede einzelne Seite zu schauen, ob auf dem Rand noch etwas bedeutsames aufgeschrieben wurde (z.B. Formteilbuchstaben). Wenn in einer Band jemand vollständig für die Notenverwaltung zuständig ist, ohne die Noten zu schreiben, kann ihm oder ihr nicht zugemutet werden, sich seitenweise zu vergewissern und dann einzelne Zettel aus dem Notenstapel zu entfernen, um sie zu verkleinern, damit Randnotizen nicht verloren gehen. Notenblätter, die ausgeteilt werden, müssen für den Gebrauch einen weiß gebliebenen Rand haben, ganz besonders auf der linken Seite, wo die Zettel gelocht werden. Kein Vorlagenoriginal darf den Rand beschrieben haben, weil dieser als erstes zerfleddert, ausfranst und als Notizfläche für die Musiker verwendet wird.

13) Das Atemzeichen heißt für einen (Nicht-)Bläser nicht, dass er an das Luftholen denken muss, sondern dass das Atmen eine Zwangspause nach langen Tönen darstellt, die wie eine notierte musikalische Pause von allen nach Gefühl und Können eingebaut wird, wenn sie nicht explizit vorgeschrieben wird. In der Praxis heißt das: alle atmen woanders und wo es ihnen gerade passt. Nach Belieben werden dann Haltetöne bei jedem unterschiedlich abgekürzt oder unterbrochen, nur weil sie zufällig keine Luft mehr haben. Dann wiederum klingen die Bläser unterschiedlich lang und somit unsauber. Das Atemzeichen ist ein standardisiertes, überdimensionales, hoch gestelltes Komma (,) und gilt ebenso für Nichtbläser, wenn die Musikphrase für alle (oder Melodie tragende Musikerinnen) auszuführen ist, sonst klingen identische Rhythmen trotzdem unterschiedlich lang und somit unsauber. Da das Atmen letztendlich ja immer in messbarer Musikzeit erfolgt, sollte bereits vor dem Aushändigen der Noten wenigstens in Klammern unter dem Atemzeichen der gedachte Pausenwert (von Hand) in die Noten eingetragen werden (Achtel oder Sechzehntel, mehr braucht nicht unterschieden werden). Das Atemzeichen ist als Zwangspause freilich nur dann vonnöten, wenn der nachfolgende Musikwert nicht sowieso wieder eine lange Pause ist, sondern eine Note (das gilt also nicht für Synkopen, die durch kurze Pausen getrennt werden. Dazwischen darf nicht geatmet werden!). Mit anderen Worten wird das Atemzeichen zwischen Notenwerten gebraucht, die direkt aufeinander folgen, von denen der vorausgehende ein langer Ton ist (ab halber Note).

Aufpassen bei polyphon gesetzten Bläserstimmen: es gibt seltene Fälle, in denen nicht alle Stimmen identische Rhythmen und gleichviel Takte zu spielen haben. Es sind Noten vorgekommen, in denen Tp+As nach einem homophonen Tutti dann im Duo eine Phrase hatten, während die anderen Bläser zu pausieren hatten. Die Tuttiphrase endete auf einem Ton am Taktstrich, die Duophrase ging im Folgetakt weiter. Dort hatte das Duo zu atmen. Es musste aber wegen der korrekten Rhythmik ebenso bei den restlichen Bläsern das Atemzeichen dort eingetragen werden, obwohl sie den fraglichen Takt Pause hatten. Grund ist: die lange Note im Tutti muss gemeinsam und rhythmisch korrekt von allen gleichzeitig beendet werden. Ansonsten klingt es unsauber phrasiert.

14) In Coverbands ist es die Regel, dass sich Laien- und Hobbymusiker ihre eigenen Instrumentalpartien selber raushören müssen, weil die Rock- und Popmusik keine Partiturkultur hat und bestenfalls (schlechte) Songbooks zu bekommen sind, nach denen aber die allerwenigsten Bands proben. Falls sich MusikerInnen überhaupt Aufzeichnungen zusätzlich machen und nicht die Originalaufnahme als Vorlage dient, benennen sie ihre Formteile aus Unkenntnis über die Fachsprache wie sie wollen, aber jeder anders, so dass es lange dauert, bis alle einheitlich wissen, wovon eigentlich die Rede ist. Es muss immer wieder nachgefragt werden >>Wo meinst du jetzt? Welche Stelle ist gemeint?<< Prominentestes Beispiel ist der Kehrreim, der mal Refrain, mal Chorus, mal Hookline genannt wird. Die MusikerInnen müssen sich unbedingt auf einheitliche Benennungen einigen, weil sonst durch Nachfragen immer Zeit verloren geht.

Wenn Namen unzureichend bleiben, weil sie im Stück unverändert oder mit leichten Veränderungen mehrfach vorkommen, werden sie selbstverständlich nummeriert. Es ist absolut normal, dass es bei allen oder einzelnen Instrumentalpartien zu Tonvariationen und modifizierten Musikverläufen kommen kann, die innerhalb des gleichen Formteils stattfinden. Also: Strophe 1, Strophe 2, Bridge 1 & 2, Interlude 3 usw. Formteile, die sich bei den Instrumentalpartien absolut nicht verändern, dürfen deshalb eben nicht den selben Namen bekommen, weil sie im Formverlauf an unterschiedlichen Stellen vorkommen und nur durch unterschiedliche Namen eine genaue Zuweisung möglich ist, wenn irgendwo im Stück weitergeprobt werden soll.

15) Desweiteren sind immer wieder Pfuschnoten von Unkundigen im Umlauf, in denen sich der Schreiberling die Arbeit sehr abkürzte und Wiederholungstakte, die nicht genauso lang waren wie der Formteil, in welchen sie zu spielen waren, instrumentenweise als Wiederholungstakte notierte und die Anzahl der Wiederholungen oben drüberschrieb. Mit solch einem Geschreibsel kann man nicht proben. Die Bläser sehen nur 2 Takte, die 3x oder 6x  zu wiederholen sind, aber nur diese Bläser müssen das, der Rest spielt normal weiter, womöglich mit Harmoniewechseln. Wenn dann Fragen zum vierten oder fünften Takt kommen, können die Bläser dort nicht zu spielen anfangen, weil sie keinen chronologischen Taktablauf haben. Umgekehrt können Musiker, die solcherlei falsch abgekürzte Wiederholungen spielen, den restlichen nicht sagen „im zweiten und fünften Takt der Wiederholung haben wir eine halbe Note“, wenn diese Angaben bei den anderen überhaupt nicht zuzuordnen sind, weil sie nun mal keine Wiederholungen rhythmischer Muster spielen. Also: Wiederholungen als Takteinheiten oder mit Doppelpunkttaktstrichen werden nur dann in die Noten eingetragen, wenn sie für alle gelten. Besonders krass wird das in Stücken, in denen der Gesangstext das einzige ist, was sich ändert, während alles andere aus sich wiederholenden Begleitmustern und Fill-Ins besteht. Um sich lästiges Notenschreiben bei taktweisem Wiederholen dennoch zu ersparen, ist längst das sogenannte Faulenzersymbol für ein und zwei Takte erfunden worden, das selten auch in gedruckten Noten verwendet wird.

Schließlich dürfen auch komponierte Auftakte zu Beginn des Stückes nicht in Blockpausen integriert werden (z.B. bei Dream on dreamer der Brand New Havies oder Stop von den Spicegirls, wo ein voller Takt Auftakt ist). Der komponierte Auftakt muss vor dem allerersten Formteil buchstäblich außen vor bleiben, also extra notiert werden, weil er ja auch als Auftakt außerhalb der Form so wahrgenommen wird und jeder (Hobby-)Musiker auch erst nach dem Auftakt mit dem eigentlichen Zählen anfängt. Wird der Auftakt in die Blockpause des allerersten Formteils integriert, wird sich ständig verzählt, weil die Notation nicht der Hörwahrnehmung entspricht. Der komponierte Auftakt ist kein Anzähltakt! Alle Formteil-Enden bekommen fette und oder doppelte Taktstriche!

Die Notationsgepflogenheiten, wie sie noch nicht aus den Fehlern hervorgehen

0. Sauber schreiben! Übersichtliche Blatteinteilung (Handschrift: 12er-Notensystemblatt) oder sogar 10er pro DinA4)

  1. Telefonnummer auf die Noten (nicht bei Repertoirestücken)
  2. Im Falle von Handschrift: keinen Bleistift oder Kugelschreiber verwenden, sondern unterschiedlich dicke Filzstifte sowie  unterschiedliche Schriftgrößen
  3. Instrumentenbezeichnung in die obere linke Ecke, Werk-, Kompositions- oder Songtitel oben in die Mitte (und auch auf allen Folgeseiten verkleinert)
  4. Taktzahlen akkoladen- oder zeilenweise verwenden, nicht an jeden Takt schreiben (wegen typografischer Kollisionen und visueller Sättigung der Druckerschwärze auf dem Blatt)
  5. Funktions- oder Rollenverteilungsangaben: Tutti, Solo, Lead, Sublead, Background  und Polyphon
  6. Tempo- & Stilangabe (bei Eigenkompositionen)
  7. melodische Enharmonik, innerhalb und außerhalb der Vorzeichnung (Tonart)
  8. Orientierungsbuchstaben für kleinere Abschnitte als die großen Formteilbezeichnungen, wenn jene mehr als 16 ausnotierte Takte haben
  9. DIN-A4 Einzelzettel bis 3 Seiten, ab 4 Seiten A3-Wendeblatt mit Blätterstelle oder Leporello (Zieharmonikaklebung ohne Rückseitenbedruckung)
  10. Wiederholungsformteile immer wieder neu notieren (also chronologisch, nicht springen!)
  11. Da Capo- und Dal Segno-Sprünge nur 1x pro Blatt bzw. sparsam (!) und möglichst nicht zwischen verschiedenen Blättern (Stelle finden kostet Spiel- und Denkzeit und führt zu Konzentrationsfehlern)
  12. Pausen vor und nach Dämpfereinsatz (Liveaufführung!)
  13. Stichnoten nach langen Blockpausen von den gut aus dem Tutti herauszuhörenden Stimmen für eine deutlich erleichtert wiederzufindende Einsetzstelle

Kommentar zu den Notationsgepflogenheiten (soweit nötig)

1) Ist für ausschließlich fremd arrangierende Musiker wichtig, welche Noten an Gastmusiker verschicken. Wenn der Musiker sorgfältig arbeitet, wird er Zweifelsfälle und Unklarheiten in jeder noch so perfekten Notenstimme finden (Vorzeichengültigkeit, Phrasierungszeichen, Ausführungsfragen, Unspielbarkeiten und anderes mehr) und diese mit dem Komponisten oder Arrangeur besprechen wollen.  Feste Bandmitglieder und regelmäßige Gäste haben sowieso die Telefonnummer, aber wenn jemand krank wird, einen Gig annehmen muss oder sonstwie ausfällt und vertreten werden muss, gibt er die Noten direkt an einen seiner Kollegen weiter, der den Komponisten/Arrangeur ja nicht kennen muss. Findet jener dann Fehler oder Unklarheiten, steht die Telefonnummer direkt auf dem Notenblatt zum Rückfragen. Bloß aufpassen: ändert sich die Telefonnummer, muss sie auf dem gesamten Notenwerk, das jemals von diesem Arrangeur entstand und wiederverwendet werden soll, gleichfalls geändert werden!

2) Das, was der Computer dem Menschen abnimmt, muss im Falle von Handschrift selbst gemacht werden: Überschrift mit der dicksten Schrift (z.B. Edding 3000), Notenhälse mit der dünnsten (Fineliner), verbale Kommentare mit Normalschrift, Formteilbezeichnungen mit einer dicken Schrift. Bei schlechten Fotokopien verschlechtert sich ja auch die Handschrift, die um so schlechter zu lesen ist, je einheitlicher die Schriftdicke gewählt wird. Die Strichdicke impliziert die unterschiedliche Wichtigkeit des Geschriebenen. Hier wird manchem sicherlich erstmals bewusst, dass schon das von Hand Schreiben in sauberer, korrekter Schrift bereits 4 verschiedene Stiftsorten fordert, wohingegen jedermensch aus Unkenntnis oder Faulheit bloß eine einzige benutzt.

3) Die Stimmenbezeichnung ist für den Arrangeur fast wichtiger als für den einzelnen Musiker, weil er alle Notenblätter gleichzeitig anfertigt und mit den Einzelblättern nicht durcheinander kommen darf. Fehlt auf  Folgeseiten die Instrumentenangabe (und bei identischen Instrumenten die Durchnummerierung!  Flöte 1, Flöte 2, Backgroundvoice 1-4 usw.), liegen falsche Notenaushändigungen bereits in der Luft, wenn die fertigen Stimmen in einer Mappe landen, womöglich noch nicht einmal mehrseitig zusammengeklebt wurden und geschlossen in der Probe oder im Studio ausgeteilt werden. Aus dem selben Grund muss auch in kleiner Schrift der Songname oder Titel immer auch mit auf jedes weitere Notenblatt, um die korrekte Instrumentalstimme auch dem richtigen Stück zuordnen zu können, wenn Unordnung entstanden sein sollte.

4) Das Hirn verarbeitet visuelle Reize bei Abweichungen und Veränderungen besser und schneller als konstante und gleichbleibende. Wenn also gut gemeint über jedem Takt eine Taktzahl steht, sehen alle Takte wieder gleich aus und es muss abgezählt werden, ohne durch vereinzelte Zahlen die Stelle schnell finden zu können. Außerdem können Taktzahlen gerade  bei Formteilanfängen mit anderen Ordnungsangaben kollidieren (Platzbedarf), also Wiederholungskästen, Namen, Segno- und Kopfzeichen, Grooveangaben, Hilfslinien, Dynamikangaben aus dem darüber liegenden Notensystem usw. Handschriftnotenlinien  können in ihrem Abstand nicht verändert werden im Gegensatz zu Computerausdrucken. Da kann es mit allem,  was geschrieben werden muss, schon mal sehr eng werden bis zum Leerlassen von Notenlinien.

5) Diese Hinweise können teilweise Dynamikangaben überflüssig machen, weil durch die Art und Weise, welche Rolle oder Funktion eine Stimme hat, dem Musiker klargemacht wird, ob er improvisieren, aktiv lauter, passiv im Hintergrund oder sonst wie seinen Stimmenvortrag gestalten soll. Die Angaben bedeuten im einzelnen:

Tutti: die ganze Instrumentensektion oder auch einfach alle verfügbaren Instrumente spielen gleichzeitig. Meist ist damit – zumindest in der Klassik – auch eine absolut identische Notenstelle in allen Stimmen gemeint, also ein Unisono.

Solo: entweder das unbegleitete Solo von nur einem einzigen Instrument oder das begleitete Solo. Das begleitete Solo kann ausnotiert oder zur Improvisation freigegeben sein. Im zweiten Fall sind Akkordsymbole dafür nötig (falls es sich um traditionelle Durmollmusik handelt).

Lead: Leitstimme von mindestens 3 homophon geführten Satzstimmen, also die Hauptstimme, die herausragend zu hören sein muss. Die Leitfunktion kann wechseln und betrifft nicht automatisch das höchste Instrument oder die Oberstimme. Deshalb ist dieser Zusatz besonders für Bass- und Tenorinstrumente wichtig, die vorübergehend die Leadstimme spielen.

Sublead: Begleitende, als Duett aufzufassende zweite Stimme mit solistischer Funktion, die der Leadstimme untergeordnet ist. Kommt auch in größeren Sektionen innerhalb solcher vor.

Fill-in: instrumentale, manchmal solistisch wirkende, kurze Einwürfe, die in ihrer Spielfunktion kontrastreich zum Rest der Instrumente gestaltet sein müssen. Dieser Zusatz ist nur dann nötig, wenn es einen gravierenden Unterschied zwischen Interludes und solchen Fill-ins gibt, da Bläser meist gar nichts anderes zu tun haben als Fill-ins zu spielen.

Background: wie der Name schon sagt eine Hintergrundstimme. Das kann ein einzelnes Instrument sein – dann wäre die Bezeichnung Fill-in passender – oder einfach nur der Sektionspart an sich. Background muss nur dann extra hingeschrieben werden, wenn vorher die anderen Angaben außer Tutti und Fill-in vorkamen. Background meint vornehmlich eine permanent zu hörende und rhyhtmisch schlichte Begleitmelodie mit wenig Aktivität oder stehende Akkorde mit Haltetönen und funktioniert als verbales Auflösungszeichen zu den vorigen solistischen Angaben.

Polyphon: dies ist keine bekannte oder gebräuchliche Vortragsangabe, sondern eine, die ich selbst erfunden habe. Sie hat sich sehr bewährt, um Verwirrung und Verwunderung im Satzspiel zu verhindern, wenn alle oder einige Instrumente unterschiedliche Stimmen gleichzeitig spielen sollen, die womöglich noch zu unterschiedlichen Zeitpunkten einsetzen. Solche Satzpassagen sind sehr selten, aber wenn sie kommen und die Musiker eindeutig markiert polyphon lesen, müssen sie nicht glauben, sie würden ihren Einsatz verpasst, zu früh eingesetzt haben oder falsche Notenstellen spielen, weil andere etwas ganz anderes oder versetzt das gleiche spielen. Sie sind ja schließlich gewöhnt, ansonsten rhythmisch identische (homophone) Passagen gleichzeitig miteinander zu spielen. Diese Angabe wird durch tutti wieder aufgehoben und es lohnt sich, sie auch schon über längere Pausen zu schreiben, wo andere Instrumente bereits ihren Einsatz haben, während man selber noch warten muss. So können sukzessive Stimmeneinsätze besser nachvollzogen werden, ohne zu glauben, man habe seinen Einsatz verpasst.

7) Das ist für alle Musiker ohne Harmonikmöglichkeiten (= Streicher + Bläser) von entscheidender Bedeutung, um schnell Noten zu erkennen und ihrem melodischen Verlauf folgen zu können. Bläser können besser Bs lesen, Streicher besser Kreuze und unabhängig davon sind Noten besser zu lesen, wenn die Vorzeichen ihrer harmonischen Richtung entsprechend eingesetzt werden (Kreuze aufwärts, Bs abwärts) und auf B kein Cis oder Fis folgt, wenn melodisch eindeutig Des oder Ges gemeint sind. Bei einer Einzelstimme hat schnelle und leichte Lesbarkeit Priorität, selbst wenn das zu ganz seltenen Tonnamen führt (z.B. A-is, His oder Fes). Einzeltöne werden intervallisch im Notenbild über die Position als Stammton wahrgenommen und nicht als Griffbild.

8) Faustregel: alle Formteile werden halbiert, geviertelt, gedrittelt usw. je nach Länge und Bedarf. Jede Partition bekommt den nächsten Buchstaben in alphabetischer Reihenfolge.  Bei kleinen Formteilen (8 Takte) ist das nicht nötig oder maximal Halbierung, bei größeren Formteilen (10/12/15 Takte) Lohnt sich Drittelung, wenn das musikalisch Sinn ergibt. Wenn Änderungen oder Signale im Stück vorkommen (neue Instrumenteneinsätze, Gesangseinsatz, ein Fill-In usw.), die nicht bereits durch den Formteilnamen erfasst werden, muss dort ein Kennbuchstabe dran, weil genau an dieser Stelle ständig jemand rausfliegt, patzt oder einfach nur ganz konkret wissen muss, dass es jetzt genau an dieser Stelle zu seinem Einsatz kommt.

10) Handschriftlich ist das natürlich äußerst lästig, weshalb Formteilwiederholungen gern mit Pfeilen, Angaben wie „Weiter bei Refrain“ usw. zugewiesen werden. Gemeint sind selbstverständlich nicht unmittelbare Wiederholungen, sondern zyklisches Aufkreuzen ganzer Formteile. Für Noten sind nur die traditionellen Sprungnotationen nicht nur etabliert, sondern zu empfehlen: Da capo, Dal segno, Da capo al fine, Dal segno al fine und das gleiche mit dem Codazeichen. Solche Stellen gibt es auch in gedruckten Noten nur ein einziges Mal und deshalb sind sie zweifelsfrei.

12) Das vergessen sogar arrangierende Blechbläser: man braucht einige Sekunden Zeit für das Greifen, Reinstecken, Entfernen und wieder Hinlegen von Schalldämpfern und das Wiederfinden der Notenstelle. Diese Zeit muss komponiert werden! Im Studio ist das wegen Schneidetechnik egal, aber bei einer Livedarbietung, die einer Studioaufnahme erst noch folgen und das selbe Stimmenmaterial bekommen wird, wird diese Zeit gebraucht. Faustregel ist: jeweils mindestens 5 Sekunden einplanen, die als Pause (ganze Takte) vor und nach der fraglichen Musikpassage in den Noten steht. In sehr langsamen Tempi reichen zwei Takte, in sehr hohem Tempo pro Sekunde ein Takt.

13) Stichnoten darf man nur bei erfahrenen NotentypografInnen erwarten, sind aber in allen großen Besetzungen mit langen Pausen, so auch der Bigband, sinnvoll bis notwendig, um zusätzlich zu einem möglichen Dirigat eine weitere Orientierungshilfe zu haben, um die eigene Notenstelle wieder zu finden.

Musiknotation und Rockpopmusik

Was der Rockpopmusiker, der sich mit der Musiknotation sehr schwer tut oder gar keine Ahnung davon hat und sich mit Zusatzinstrumenten nicht auskennt, im Zweifelsfall vernachlässigen kann, dann allerdings unbedingt mit den ausführenden Musikern erarbeiten muss (bitte vor Beginn und nicht erst während der Aufnahme/Probe), sind arrangiertechnische Details, in denen sich die ausführenden Musiker mit ihren Instrumenten hoffentlich besser auskennen. Ein professioneller Arrangeur und akademisch ausgebildeter Musiker darf das natürlich nicht so nachlässig handhaben, er muss alles selbst wissen und verantworten können. Zu den Details, die ein Laie bei der Musiknotation vernachlässigen darf, falls er wie geschrieben mit Musiknotation auf Kriegsfuß steht und  mit den Ausführenden die Stellen gründlich bespricht, gehören:

  • Fingersatz, Griffangaben, Saitenwünsche (natürlich nicht die Marke oder Dicke betreffend,  sondern die Tonhöhe der Saite)
  • Artikulationszeichen, Phrasierungsbögen
  • Tonumfang (Faustregel: innerhalb von 2 Oktaven ist alles Spielbar), nicht aber der   Oktavbereich (physikalische Spielgrenzen der Instrumente beachten!)
  • Dynamik, Tempo- und Stilangabe (kann über Playbacks oder verbal sofort geklärt werden)
  • Verzierungen, Vibratowünsche
  • Spezialeffekte (Stricharten, Flatterzunge, Shakes, Verrisse, Flexuren, Tremolo  usw.)
  • Schlegelwahl für Schlagzeuger/Perkussionisten, Dämpferwahl (Blechbläser)
  • Schlüsselwechsel
  • Instrumentenwechsel (E-Bass/Kontrabass, Gitarrentypen, B-/C-Trompete, A-/B-Klarinette, Alt-/Tenor-/Sopransaxofon usw.), NICHT aber die Transposition dieser!
  • Pedalangaben (Klavier, Vibrafon)
  • Präparationen von Instrumenten
  • Soundwahl (Gitarre, Keyboard)

Summa summarum bleiben für den laienhaften Notenschreiber nur noch folgende Dinge zwingend zu beachten: Notengepflogenheiten wie oben, Tonhöhen und Dauern rhythmisch korrekt und unzweifelhaft schreiben, Details mit Ausführenden durchsprechen und deren Empfehlungen sowie Beanstandungen ernst nehmen und diese dann einarbeiten, nicht herumdiskutieren und rechthaberisch sein, denn die professionellen Musiker und auch schon MusikstudentInnen kennen sich auf ihren Instrumenten im Zweifelsfall besser aus.

Der Idealfall perfekter Noten ist: alles ist zweifelsfrei und nachvollziehbar sauber in sämtlichen Stimmen für alle Teilnehmenden notiert und das Stück kann von Anfang bis Ende ohne weitere Absprachen genau so durchgespielt werden, wie sich der Notenschreiber das gedacht hat und wie das Stück tatsächlich klingen soll. Es wird lediglich angezählt und alle reproduzieren die selbe Version einer Musik, die die einen nur auswendig im Kopf haben, die anderen aber runterlesen und runterspielen können (vorausgesetzt selbstverständlich sie kennen ihre Noten durch intensive Vorbereitung), ohne dass es dabei zu Irritationen, Orientierungsschwierigkeiten und Missverständnissen kommt, deren Ursache im Notenbild liegen. Das Notenmaterial ist dann in so hoher Probenqualität – also professionell angefertigt – dass beliebig einspringende Aushilfen es ohne weitere mündliche Absprachen selber spielen können, wenn sie jemanden kurz- oder langfristig als Vertretung ersetzen.

Das ist kein Wunschdenken, sondern die Realität im Profibereich, an erster Stelle in der Klassik, wo das gar nicht anders denkbar ist, dann aber auch im Jazz für Bigbandmusik und Ensembles und schließlich auch in Gala- und Coverbands, die beruflich Musik machen. Wenn hier mal jemand vertreten werden muss, kann man nicht ewig Stücke einüben und proben, da muss das Notenmaterial hieb- und stichfest sein, damit es notfalls auch kurzfristig vom Blatt gespielt werden kann, ohne dass der Ablauf völlig auseinander fällt.

[1]              Es gibt ganz selten Transkriptionen von ganzen Arrangements, so z.B. von Steely Dan (The best of Steely Dan, Hal Leonard publishing corporation ©1990), doch diese als Partitur herausgegebenen Songs liefern kein, in der Klassik so genanntes, „Aufführungsmaterial“, d.h. Einzelstimmen, an denen ablesbar wäre, wie eine solche in der Rockmusik auszusehen hat. Eine Transkriptionspartitur versteht sich wie in der Klassik ebenso als reine Studienpartitur.

[2]              Ein allumfassendes Merkheft/Büchlein hat Willy Schneider im Schottverlag 1969 veröffentlicht: Transponierende Instrumente. Ebenfalls allumfassend, allerdings auch mit Abbildungen, historischen Verweisen, Materialbeschreibungen, Bauformen usw. ist: Winfried Pape – Instrumentenhandbuch der Streich-, Zupf-, Blas- und Schlaginstrumente in Tabellenform, Verlag Hans Gerig, Köln 1976. Ansonsten ist für die populären Instrumente das Buch „Jazzarrangement“ von Peter Herborn ebenso sehr gut geeignet, weil dort auch noch der Tonumfang für Schüler mit angegeben ist.