Poxymedon

Trompete / Sopranposaune / Flügelhorn / Musikwissenschaft / Songwriting

Rekursionsharmonik – Turnarounds – 4 Chords

Was hier folgt, ist ein Traktat zur harmonischen Mechanik von Akkorden als Baukastensystem und Rezept, das Rekursionsharmonik genannt wird anstelle von „Turnarounds“. Der Grund wird im Text erklärt, den es vollständig und anständig formatiert hier als PDF-Datei gibt. Es gibt  die größte Sammlung von Songs mit solcher Harmonik nach  vierstelligen Zahlen sortiert als PDF-Datei. Nur hier am Ende dieser Seite ganz unten gibt es 5 Klangbeispiele als Popmusikmix und die dazugehörigen Titelnennungen. Die PDF-Datei lässt sich sehr bequem nach Titeln und Bands durchsuchen wie eine gewöhnliche Textdatei. Sie ist seit 2002 entstanden und wird einmal jährlich aktualisiert.

Rekursionsharmonik zählt – neben Pentatonik – zu den mächtigsten und wichtigsten musiktheoretischen Geheimnissen, die sich formalisieren, lehren und anwenden lassen. Rekursivblöcke oder auch Turnarounds[1] sind kreislaufende, meist vierteilige Akkordeinheiten (Minikadenzen), die wie in einem Baukastensystem aneinanderkopiert und primär für den Refrain eingesetz werden, der damit besonders eingängig wird, weil er sowieso ständig wiederholt wird. Die anderen Formteile bekommen eher Pendenzen (reine zweiakkordigen Songs) oder stärker variierende Harmoniewechsel. Ein Rekursivblock funktioniert aber für alle Formteile: Strophe, Bridge, Soloteile, Interludes. Man kann Turnarounds mit einem deutschen Wort auch Rekursionsharmonik und die dazugehörenden Akkorde Rekursivblöcke nennen, aber diese Bezeichnung wird sich wohl kaum durchsetzen, da die erste schon im Sprachgebrauch ist – zumindest in Fachbüchern und der Jazzausbildung. Unter einem Turnaround verstehen alle bisherigen Autoren, die sich zu diesem Thema geäußert haben, lediglich eine einzige, auch variierbare Schlusskadenz, die in ihrer Grundgestalt in der Formel 1645 kulminiert, also der historisch ersten Formel, die somit auch die bedeutendste, bekannteste und meistverwendete ist. Die ursprüngliche Funktion dieses Rekursivblocks entnahm ich der genialen „Neue[n] Jazz-Harmonielehre“ von Frank Sikora, ich zitiere:

>>Die ursprünglichste Anwendung des Turnarounds (daher auch sein Name) beruht auf einer sehr praktischen Überlegung. Während einer Improvisation wird das Akkordschema einer Komposition mehrfach wiederholt. Da in vielen Stücken Schluss- und Anfangsakkord identisch sind, entsteht an der Schnittstelle zwischen zwei Durchläufen häufig ein Gefühl der harmonischen Stagnation. In einem solchen Fall wird am Ende eines jeden Chorus eine kurze Kadenzschleife eingebaut, die den harmonischen Stillstand verhindert, den formalen Einschnitt unterstreicht und zwingend zum Anfang der Akkordfolge zurückführt. Inzwischen hat sich der Turnaround als eigenständige harmonische Formel verselbstständigt und ist zur Grundlage vieler Akkokordfolgen geworden – meist als zwei- oder viertaktiger Funtionskreisel (je nachdem, ob die Akkordwechsel halb- oder ganztaktig erfolgen).<<[2]

Der historische Turnaround wird mindestens seit den 1960er Jahren in der Rock- und Popmusik verwendet. Volkmar Kramarz bemerkt dazu in seiner Doktorarbeit Harmonieanalyse der Rockmusik:

>> Neben den bluesorientierten Stücken findet sich im Bereich des Rock’n Roll eine Gruppe von Stücken mit einem standardisierten Akkordschema, das jedoch keinen Bezug zum Blues, sondern eher zu Folk hat. Es handelt sich hier um den sogenannten Turn-Around, von dem in einer Gitarrenschule gesagt wird: „Unter den wichtigsten Akkordfolgen, die im Jazz und Rock’n Roll gebraucht werden, befindet sich der Turn-Around.“ Als ein Turn-Around bezeichnet man eine Akkordfolge, die auf der Tonika beginnt, auf der Dominante endet und dazwischen Moll-Parallele(n) und evtl. die Subdominante streift. In der Regel finden sich 4-taktige Schemata, wobei jeder Akkord meist die Länge eines Taktes erhält.<<[3]

Solche Zitate beweisen, dass der Begriff Turnaround mit seiner Funktion schon sehr lange in der Praxis nachweisbar ist. Zentral ist in meiner Herangehensweise, dass ich die Wirkungsweise eines Rekursivblocks viel weitreichender, allgemeiner begreife, einen Rekursivblock abstrakt und nicht musiktheoretisch definiere und nicht zuletzt (s.u.) die erste große Songsammlung und Systematik darüber veröffentliche. Ich bevorzuge insbesondere deshalb die neue Bezeichnung Rekursivblock statt Turnaround, nicht weil es ein deutsches (bzw. landessprachliches) Wort und seine sinngemäße Übersetzung ist, sondern weil letzteres Wort historisch untrennbar mit seiner ersten Ausformung 1645 verbunden ist und nichts Allgemeingültiges mehr aussagt. Sehr allgemein gehalten ist noch die Definition von Jaffe:

>>A turnaround […] is a series of four chords, generally in half notes or whole notes, beginning with the tonic or a tonic substitute and then progressing in some manner to a vi, ii, and V chord (or any of their available substitutes). Turnarounds are the most basic harmonic building blocks of standard chord progressions, and can employ any of the various categories of functional harmony (diatonic, secondary and substitute dominant, MI harmony, or chromatic connecting chords).<<[4] (Hervorhebung von mir)

Das Wort Rekursivblock ist indessen nicht historisch besetzt und viel zu allgemein, als dass es etwas ganz spezifisches bezeichnen könnte, das nur auf einen bestimmten Fall anzuwenden wäre. Das Wort Rekursivblock besagt nicht, dass eine beliebige Kadenz aus 4 Akkorden nur am Schluss eines Stückes stehen muss, um genau diesen anzukündigen und zum Anfang zurück zu kehren. Es steht für Wiederholung mit sich selbst und nicht für Wiederholug der Chorusform. Die ganzen Turnaroundbeispiele, die z.B. bei Jaffe genannt werden, befinden sich alle nur am Schluss des Stückes. Das macht in einer von Improvisation geprägten Musik großen Sinn, weil solche Schlussfloskeln, die mehrheitlich dem Quintenzirkel entlehnt sind (aber auch ganztönig und chromatisch versetzt sein können), gerade für MusikerInnen, die das Stück noch nicht oder nicht gut kennen, das Ende der Improvisationsform ankündigen (Chorus). Kennzeichnend dafür, ob eine harmonische Folge als Rekursivblock in Frage kommt, ist nach meiner (neuen) Erkenntnis nämlich überhaupt nicht die Zusammensetzung oder Auswahl der Akkorde, sondern:

erstens: er wird als Block mindestens zweimal repetiert; entweder alle 2, 4 oder binnen 8 Takten zweitens: ein Rekursivblock besteht aus mindestens 3 verschiedenen Akkorden drittens: ein Rekursivblock wird über einen ganzen Formteil oder mehrere verwendet

Es müssen alle drei Kriterien gleichzeitig erfüllt sein. Wenn der Rekursivblock nur ein einziges Mal vorkommt, handelt es sich also um keinen solchen, wenngleich die Akkordfolge als abgegriffene Floskel (=f) deshalb nicht minder bekannt ist. Die Faustregel, dass Rekursivblöcke auf der Tonika beginnen und auf der Dominante enden – in dur wie in moll – ist von Kramarz schon vor Jahrzehnten erkannt worden. Die Gesangsphrase kann dabei länger sein als die Taktphrase (z.B. Soft Cell: Tainted love). Es ist gegenwärtig bis auf wenige Ausnahmen noch nicht bekannt bzw. statistisch ausgewertet, ob bestimmte Rekursivblöcke bevorzugt bis ausschließlich nur in ganz bestimmten Genres und Stilistiken eingesetzt werden. Während meiner jahrelangen Songsammeltätigkeit auf der Suche nach Rekursionsharmonik und vielen anderen kompositorisch nutzbaren Besonderheiten sind mir weitere Eigenschaften von Rekursivblöcken aufgefallen, die noch nicht in der Minimaldefinition in den beiden obigen Zitaten enthalten sind. Als Zusammenfassung hier einmal alle typischen Eigenschaften von Rekursivblöcken auf einen Blick:

Der idealtypische Rekursivblock

hat genau 4 und mindestens 3 verschiedene Akkorde mit mindestens einer Tonika und diese vorzugsweise an erster oder letzter Position. Die Stufe 7 wird (im streng diatonischen Bereich) quasi nicht benutzt. Im erweiterten Bereich stehen maximal 2 Zusatzakkorde zur Auswahl, vorzugsweise die Stufen 8 oder 9, diese aber nie im selben Block, während die Stufen zehn, elf und zwölf grundsätzlich vermieden werden. Der idealtypische Rekursivblock ist 2, 4 oder 8 Takte lang (8 Takte als Verdoppelung der Viertaktversion als 4×2 Takte).

Sehr selten gibt es Doppelblöcke für Formteile und ganze Songs, die aus 8 Akkorden bestehen. Die zweiten vier Akkorde sind dann aber immer eine Variation der ersten vier, wo am Ende ein Akkord vertauscht oder ausgetauscht oder halbtaktig ein fünfter eingefügt wird. In der Realität kann eine beliebige harmonische Verbindung (Kadenz) allein dadurch zum Rekursivblock werden, dass sie ganz lapidar einfach so verwendet wird, wie diese Definition es verlangt.Was den Rundlauf oder auch das Kreisen der Harmonik jedoch sehr begünstigt, ist die 5 (Durdominante) oder (+)3 (verdurte) Molldominante an letzter (vierter) stelle, weil sie das harmonische Fragezeichen ist, das sich in die Antwort namens Tonika auflöst. Diese Tonika muss dann gar nicht mal die Durtonika sein, denn die in Moll tuts auch. Das fällt bei der Sichtung der beliebtesten Rekursivblöcke sofort auf, die die meisten Musikbeispiele (in Moll wie in Dur) haben, weil diese alle auf 5 enden.

>>Über die Jahre hat sich der Turnaround so fest in das allgemeine Klangbewusstsein eingegraben, dass fast jede harmonische Kreisbewegung als Turnaround empfunden wird – ganz gleich, ob sie tatsächlich den eben beschriebenen Funktionsketten entspricht oder nicht. Solange sie einem Spannungsbogen folgt, der – bei ganztaktigen Akkordwechseln – alle vier Takte kadenziert, also in einem Zielklang einrastet, wird ein Turnaround zu spüren sein. In letzter Konsequenz ist es also nur noch der Formverlauf (der sich wiederholende Viertakter), der das Turnaroundgefühl hervorruft.<<[5]

Es ist viel seltener, dass die Molldominante – egal ob diese als Durvariantklang oder natürliches Moll verwendet wird – an vierter Stelle vorkommt. In dur ist überhaupt kein Fall belegt, der Rest also in Mollkadenzen, was daran liegen wird, dass durch ewigen Gebrauch ein Gewöhnungsprozess eingesetzt hat, bei dem nach der 3 oder +3 stets die 4 erwartet wird, kaum aber die 6. Im Gegensatz dazu wird nach der 5 sowohl die 1 als auch die 6 gleichberechtigt erwartet. Daran hat man sich heutzutage dermaßen gewöhnt (Abnutzungseffekt), dass der Schritt von der 5 zur 6, der in der Wiener Klassik und bis zum Ende der Tonalität im frühen 20sten Jh. noch als sogenannter klassischer Trugschluss bezeichnet und auch noch so wahrgenommen wurde, heute an Bedeutung völlig verloren hat und als ganz normaler Kadenzschritt ohne besondere Wirkung empfunden wird. >>Und Schlussbetrug kann sich nur ereignen in einer Musik, die nicht ständig betrügt.[6]<< (kursivschrift im Original). Soll ein Trugschluss seinem Namen überhaupt noch gerecht werden, muss er konditioniert werden, das heißt, dass mindestens 2x im Stück in einem ganzen Formteil (nicht im Rekursivblock!) nach der 5 die 1 oder nach der (+)3 die 6 kommen muss, um dann erst einen anderen Zielakkord zu verwenden. Sonst nimmt diesen Harmonieschritt niemand mehr als Trugschluss wahr. Beispiel: The Eagles: Take it to the limit am Ende des Liedes als Coda.

Warum sind Rekursivblöcke bzw. Turnarounds so wichtig?

Sortierung und Systematisierung der Rekursivblöcke

Alle nachweisbaren und theoretischen Rekursivblöcke hier nicht rein numerisch, sondern darüber hinaus auch noch systematisch zu sortieren, erleichtert erheblich deren Auffindbarkeit, Überschaubarkeit und Klassifikation, weil nicht alle irgendwie gleich sind, sondern zueinander markante Unterschiede aufweisen, die nachfolgend erklärt werden.

In Songtiteln wird nur das erste Wort (bis auf Eigennamen, z.B. Hey Joe, Gimme hope Joana) groß geschrieben. Wenn bei Songnennungen mehrere Titel vorkommen, werden diese alphabetisch nach dem ersten Wort sortiert und durch ein Komma getrennt, wobei gleichzeitig die Kommata gelöscht werden, die möglicherweise bestandteil eines Titels sind, damit bei einer Aufzählung mehrerer Titel des selben Bandnamens keine Verwirrung aufkommt. Bei der alphabetischen Sortierung werden Bandnamen (keine Songtitel), die mit dem englischen Artikel „the“ beginnen (The Marvelettes, The Who, The Proclaimers, The Blow Monkeys, The Carpenters, The Hives, The Human League, The Style Council, The Rolling Stones, The Beatles, The Verve, The Fray usw.), wie das üblich ist selbstverständlich nicht bei Buchstabe T einsortiert, sondern nach dem Buchstaben des ersten Worts dahinter. Das selbe gilt für Bandnamen, die mit dem unbestimmten englischen Artikel A beginnen (z.B. A Flock Of Seagulls, A Venged Sevenfold). Diese Grundregel gilt für alle Sprachen. Bandnamen, die aus einem ganzen oder halben Satz bestehen, werden ebenso nur am Anfang groß geschrieben (z.B. Kitty in a casket, Curiosity killed the cat, Alice in chains, Funeral for a friend, System of a dawn usw.). Wenn ein Formteil mehrere Blockzahlen enthält, die in eckigen Klammern stehen, wird der dazugehörige Titel nummerisch nach der ersten Zahl davon dem Block zugewiesen (z.B. Donna Summer: She works hard for her money (I, R 65[23]6) steht bei 6526).

Die allererste Einteilung bei allen Kategorien ist die in Dur (1 zuerst) und Moll (6 zuerst). Die Kategorien sind als erstes differenzierbar in Kadenzblöcke, bei denen alle 4 Akkorde unterschiedlich sind und zweitens solche, bei denen Akkorde zweimal vorkommen. Letztere lassen sich wieder in diejenigen weiter untergliedern, deren Doppelte eine Klammerung bilden (erste und vierte Stelle identisch = abca), solche, bei denen die Doppelten Geminate (Zwillingspaare) bilden (aabc oder abcc) und schließlich solche, die Pendelbewegungen bilden (abcb oder abac). Zum bekanntesten des Modells aabc gehört der Block 6645, vorallem im Teeny- und Dancebereich („Bravohits“), zum bekanntesten des Modells abcb gehört der Block 1545 und 1454. Die Verwendung von Rekursionsharmonik ist völlig unabhängig vom Musikgenre und der Stilistik, dennoch liegt es auf der Hand, dass Songs, die in erster Linie für die kommerzielle Massenproduktion, Radiosendungen und Hitparaden vorgesehen sind, sie vorrangig bis ausschließlich enthalten und in Songs der alternativen und harten Rockmusik darauf problemlos verzichtet wird. Innerhalb aller Kategorien dieser ganz groben Sortierung der Rekursivblöcke ist sie nummerisch erfolgt, nicht nach musikalischen oder statistischen Überlegungen. So lassen sie sich sehr rasch suchen und man kann sofort herausfinden, welcher Block extrem häufig, sehr selten oder nie vorkommt, weil noch jedes Musikbeispiel fehlt.

Übersicht über die Kadenzblockkategorien: 1) alle vier Akkorde sind unterschiedlich 2) ein Akkord kommt zweimal vor, also nur drei verschiedene 3) Doppelte bilden eine Klammerung (erste und vierte Stelle identisch, z.B. 6526) 4) Doppelte bilden Geminate (Zwillingspaare, z.B. 6645 oder 9811) 5) Doppelte alternieren (bilden Pendelbewegungen, z.B. 1415 oder 1454) 6) Rekursivblöcke fangen auf keiner Tonika an (rein numerisch sortiert) 7) Rekursivblöcke haben gar keine Tonika (Ambivalenzblöcke, keine 6 oder 1)

Der Zahlenblock, der immer als erstes angegeben wird, enthält nur selten weitere Spezifika wie die Durmollalteration und Klammerungen. Diese sind bei Abweichungen vom Grundmodell im Zweifelsfall in der Songliste darunter beim konkreten Titel hinter dem betroffenen Formteil extra angegeben, wo auch noch andere Feinheiten aufkreuzen können.

Formteilbuchstaben, wo der Rekursivblock zu hören ist:

I = Intro, S = Strophe, O = Outro, R = Refrain, Z = Zwischenteil (Interlude), C = Coda. B/B2 = Bridge, wobei die Bridge, die schlicht B genannt wird, entweder immer diejenige zwischen S und R oder die einzige im Song vorkommende ist[12]. Erst wenn es eine zweite Bridge im Schema AABA (oder einem anderen Formschema) gibt, wird diese zusätzlich mit B2 nummeriert. T = „total“, d.h. der Song besteht aus nichts anderem als dem angegebenen Rekursivblock, egal aus welchen Formteilen der Song besteht. G steht für „Gitarrensolo“ und stellvertretend auch jedes andere Instrumentalsolo in einem Song (z.B. Bass, Saxofon, Keyboards). Das kleine e vor einem Großbuchstaben (z.B. eR) bedeutet „Ende von“, was manchmal durch Abwandlung vorkommt und der schnelleren Auffindbarkeit des Rekursivblocks beim Hören des Songs dient. Das kleine f an einer Formteilbezeichnung heißt „Floskel“ und meint einen einmaligen Gebrauch einer Harmoniekombination, die sonst als Rekursivblock Bedeutung erlangt hat. C ist ein ganz seltener Formteil (ähnlich wie Outro), der nur manchmal die Hookline und nicht den ganzen Refrain enthält (z.B. Marius Müller Westernhagen: Schweigen ist feige). Es gibt auch Songs ohne Formteilangaben. Die hatte ich zufällig aufgeschnappt, ohne sie mehrfach hören zu können. Um keine Falschangaben zu machen, habe ich dann die Formteilangaben sicherheitshalber weggelassen. Alle anderen Songs habe ich mehrfach und von CDs und Schallplatten gehört. Die Großbuchstaben EBM hinter manchen Bands sind keine Formteilangaben, sondern die gängige Abkürzung für Electric Body Music, einer Elektrostilistik (Techno) der Gothic- und Darkwaveszene.

Stufenzahlen der Tonart

Ich gebe keine tradidionellen, obsoleten Funktionsbezeichnungen mehr an (T, D, S, Sp, Tp usw.), sondern ersetze diese durch autonome Ziffern, die den Tonstufennummerierungen von der Durtonleiter aus entsprechen. Ich bin also in jeder Hinsicht konsequent darin, meine extra für ökonomisches Zurechtfinden in Tonarten entwickelte Erweiterte Stufentheorie hier anzuwenden und nützlich zu integrieren. Funktionsbezeichnungen ändern ihre Positionen in Abhängigkeit des Modus (dur/moll), von dem sie aus gebildet werden, meine Zahlen nicht. Zahlen sind logisch sortiert und maschinenlesbar, Funktionsbezeichnungen nicht. Funktionsbezeichnungen ändern ihren Sinn je nach harmonischem Umfeld, meine Ziffern nicht. Dies alles und noch mehr macht meine Erweiterte Stufentheorie der tradidionellen Stufenlehre und Funktionsbezeichnungssystem überlegen. Also gibt es keinen Grund mehr, mich mit meinem Ziffernsystem zurückzuhalten.

Die Zahlenblöcke bestehen aus den Nummerierungen der Grundtöne der Durtonleiter und ihrer dazugehörenden Akkorde durch einzelne Ziffern (1-7). Eine Transposition in andere Tonarten ist deshalb überflüssig. Die Zusatzzahlen von 8 bis 12 sind die chromatischen Töne zwischen den Grundtönen und sie bedeuten auf C-Dur bezogen folgendes: 8 = B, 9 = As/Gis, X = zehn = Fis/Ges, Y = elf = Es/Dis sowie Z = zwölf =. Des/Cis. Das Z als Stufenbezeichnung darf nicht mit dem Z als Formteilbezeichnung verwechselt werden! So sieht die Stufennummerierung in der Tastatur aus:

 Chromatisches Ziffernmanual

Abweichungen des Tongeschlechts werden so angegebenen: – ist Moll und + ist Dur. Slashchords und Akkordumkehrungen sind in die Rekursivblöcke integriert, z.B. so: 21/345 wie bei Tina Arena – Sorrento moon. Gelesen wird das dann ziffernweise so: 2, 1 über 3, 4, 5. Sonstige Abweichungen vom Grundmodell sind hinter dem Formteil ebenso angegeben. Alle Ziffern haben die selbe metrische Länge: entweder Halftime (4 Zahlen = 8 Takte, selten), Realtime (4 Zahlen = 4 Takte, Standard) oder Doubletime (4 Zahlen = 2 Takte, häufig). Abweichungen davon werden in [eckigen] Klammern angegeben, die die halbe Länge der zuvor verwendeten Zählweise darstellen, denn die Verlängerung wird bereits durch Verdoppelung einer Zahl angegeben. Beispiel: 164[25] bedeutet, dass die ersten drei Ziffern jeweils doppelt so lang sind wie die in Eckigen Klammern zusammen, die nur deren Hälfte so lang sind. Also 2 Ziffern in eckigen Klammern entsprechen der Länge einer normalen Ziffer.

Die Grundakkorde der chromatischen Grundtöne auf den schwarzen Tasten werden prinzipiell als Durakkorde definiert, weil das statistisch betrachtet deren häufigstes Vorkommen ist. Ausnahme ist die Stufe X (zehn), die wie die Stufe 7 als (halb)verminderter Akkord definiert wird. Die Akkorde zu den Stufenziffern 2, 3 und 6 sind als Moll definiert und die Stufe 7 als (halb)vermindert, wie es immer schon in Terzschichtung zur Dreiklangsbildung üblich war. Das ist zum Nachvollziehen der Stufenziffern in Rekursivblöcken sehr wichtig!

Etwas Mathematik – wen(n)’s interessiert

Mein Weg, Kadenzblöcke als Rekursionsharmonik aufzuspüren und nachzuweisen, ist schon sehr ungewöhnlich, weil ich nicht zuerst Songs auswertete und nach Gemeinsamkeiten und Auffälligkeiten hörte, sondern zuerst die Zahlenkombinationen fertig gestellt habe und danach erst damit begann, ganze Songs oder einzelne ihrer Formteile nach ihnen zu kategorisieren. Der Vorteil ist die maschinelle Sortier- und Auffindbarkeit durch Textverarbeitung (Suchfenster aufklicken, Zahlenblock eintippen, diesen finden und Song eintragen) und vor allem der vollständige Überblick über alle statistisch errechenbaren Zahlenkombinationen, damit mir keine entgeht. Dabei ist also unwichtig, ob es für einen Rekursivblock zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt ein Musikbeispiel gibt oder nicht, weil jederzeit eines entdeckt werden kann und die Systematik dahinter schon längst fertig ist, alle Rekursivblöcke vollständig vorliegen und nummerisch sortiert sind.

Beim Nachweis sämtlicher möglichen Rekursivblöcke hilft die Mathematik perfekt, weil schließlich die Ton- und Akkordstufen durch Zahlen repräsentiert werden. Musikalisch ist es aber Nonsens, alle im fünfstelligen Bereich liegenden Zahlenkombinationen aus 4 Tonstufen auszurechnen, weil die musikalischen Kriterien für logische und sinnvolle Akkordverbindungen, die aus der angewandten Songwritingpraxis kommen, dermaßen rabiat sind, dass am Ende ein zweistelliger Betrag an real existierenden oder besser gesagt musikalisch sinnvollen Rekursivblöcken übrig bleibt. Das heißt mit anderen Worten, dass irgendwelche Grundakkorde nicht beliebig kombiniert und vertauscht werden können, bloß weil das mathematisch möglich ist, denn die Musik gehorcht psychoakustischen Gesetzen, die dafür sorgen, dass wir uns einen Orientierungspunkt suchen. Dieser Orientierungspunkt ist die Tonika. Es existieren so gut wie keine Rekursivblöcke, die ohne Tonika auskommen, also keine 1 oder 6 enthalten (bloße 5 kann ich belegen, die zu derzeit 11 Songs gehören)(?). Eine Tonika kommt in einem solchen seltenen Fall stattdessen außerhalb des Rekursivblocks an anderer Stelle im Song vor.

Es kann hier selbstverständlich unmöglich einen Anspruch auf auch nur angenäherte Vollständigkeit der Blockmöglichkeiten geben, wenn Wiederholungen einzelner Akkorde (=Zahlen) zugelassen werden. Die Rekombinationsmöglichkeiten nur der 7 traditonellen Tonstufen zu völlig beliebigen Viererblöcken ohne Wiederholung sind allein schon 840. Wir gehen erstmal von 4 verschiedenen Akkorden aus, weil das der häufigste und somit Normalfall ist. 240 Viererblöcke bleiben bei aller Beliebigkeit übrig, wenn mindestens eine Tonika (Dur = 1, Moll = 6) dabei sein muss. Mit nur einer obligatorischen Tonika halbiert sich diese Zahl auf 120, wenn diese an jeder Position vorkommen kann. In der Realität steht in einem Rekursivblock die Tonika aber immer an erster Stelle (dann sind es nur noch 60 Möglichkeiten) – von einer zu vernachlässigenden Minderheit abgesehen, in der die Tonika auch an zweiter oder letzter Stelle steht. Die siebte Stufe wird aber in Rekursivblöcken normalerweise nicht benutzt und findet sich bisher in nur 9 Rekursivblöcken. Damit bleiben real nur 6 Tonstufen zur Auswahl. In wahlloser Reihenfolge ohne Wiederholung wären das 360 Variationen, die aber ebenfalls in der Praxis nicht alle vorkommen, weil da auch alle drin sind, die keine Tonika enthalten. Mit nur einer obligatorischen Tonika in Dur oder Moll bleiben dann noch 96 Kombinationen übrig, wenn die Tonika dann an jeder der 4 möglichen Positionen stehen kann, aber nur noch die Hälfte (48 Möglichkeiten), wenn nach der Faustregel die Tonika in einem Rekursivblock fast immer an erster Stelle steht. Wenn beide Toniken in Dur und Moll in einem Rekursivblock vorkommen, von denen eine auf jeden Fall an erster Stelle steht, dann kommen 72 Variationen zusammen. Das wird aber nicht in der Übersicht oben unterschieden, wo nur 4 verschiedene Ziffern/Stufen vorkommen.

Beim oberflächlichen Durchsehen der ganzen Liste ist mir aufgefallen, dass der zahlenmäßgige Großteil aller Songs sich auf nur 26-30 Rekursivblöcke konzentriert. Diese Rekursivblöcke sind weniger als 9% aller Blöcke, die mindestens ein einziges Musikbeispiel haben und noch viel weniger als die Menge aller gelisteten Blöcke. Sie enthalten aber etwa ein Drittel aller in der Liste erfassten Songs! Statistisch ist das nicht nachgerechnet und ausgewertet, sondern Pi mal Daumen geschätzt, zumal Doppelnennungen rausgekürzt werden müssten, wenn Songs bei mehreren Rekursivblöcken stehen, weil sie sie in verschiedenen Formteilen verwenden. Daraus ließe sich eine aufwendige Statistik erstellen, welche Blöcke wie verwendet werden: in welchen Formteilen, Dur oder Moll, Blocktyp usw. Als Fazit stelle ich jedenfalls fest, dass eine Minderzahl an Rekursivblöcken für ein Maximum an nachweisbarern Songs verantwortlich ist.

Eine Besonderheit ist, dass es keinen Rekursivblock gibt, der eine Tonika (6 oder 1) isoliert an dritter Stelle hat, sondern dort nur dann, wenn die selbe oder die andere Tonika auch an erster oder letzter Stelle steht. Und schließlich ist sehr auffallend, dass die Mollabteilung viel mehr tatsächlich genutzte Blockvariationen als die Durabteilung vorzuweisen hat, während in der Durabteilung pro Rekursivblock und somit insgesamt erheblich mehr einzelne Songs zu finden sind. Was die Liste nicht hergeben kann ist das Mengenverhältnis von Songs, die mit Rekursionsharmonik komponiert werden zu solchen, die darauf verzichten, weil letztere ja dann gar nicht erst in der Liste vorkommen: atonale Songs, modale Songs, Monakkordsongs, Monakkordsongs mit Bridge ohne Rekursivblock, Pendenzen, Pendenzen mit Bridge ohne Rekursivblock, Bluesmusik und Grundkadenzsongs[13] (harmonisch ähnlich der Bluesmusik).

Harmoniepentatonik

Das Wort ist musiktheoretisch neu. Unter Harmoniepentatonik verstehe ich die Auswahl und Anordnung der verwendeten Akkorde auf den Grundtönen der Melodiepentatonik, wobei die Akkorde dabei strukturell beliebig gebaut sein können (z.B. auch mit invertiertem Tongeschlecht, aus Moll wird Dur und umgekehrt). Es reicht schon der Basston allein aus, um die Pentatonik harmonisch abzubilden, was für vorrangig zweistimmig strukturierte Genres interessant ist wie Hardrock, Heavymetal, EBM und andere. Mit diesen Akkorden lassen sich die bekanntesten und erfolgreichsten Rekursivblöcke mit vier verschiedenen Tonstufen bilden, wenn sie aus folgenden Stufenzahlen bestehen (feste Auswahl, aber keine Reihenfolge!): 12356 oder 12456. Tatsächlich sind die beliebtesten und somit statistisch am häufigsten benutzten Rekursivblöcke Permutationen der Ziffern 1, 4, 5 und 6 (es gibt vierundzwanzig verschiedene Kombinationen). Nebenstufen (8 bis Z) sieht die Harmoniepentatonik nicht vor (nicht nachweisbar), obwohl mit 81245 und 81Y45 diese möglich ist. Die 7 ist definitionsgemäß sowieso nie mit dabei und entweder ist in dieser Auswahl die 3 oder die 4 enthalten, immer aber 1, 2, 5 und 6. Mit anderen Worten ist eine Akkordauswahl, die so aussieht 23457 oder 12345 oder 12346 oder 13456 usw. niemals pentatonischen Ursprungs, weil hier immer zwischen 3 und 4 der Halbtonschritt liegt, der in der Pentatonik nicht existiert. Sofern sich ein Song Rekursionsharmonik leistet, wird also mit der Konstruktion eines Rekursivblocks aus der korrekten Auswahl ebenso die Pentatonik durch das Intervallverhältnis der Akkordgrundtöne zueinander abgebildet. Das führt ebenso zu Eingängigkeit und Vertrautheit und macht alle sie (be)nutzenden Songs einander subtil ähnlich. Diese Ähnlichkeit auf Grundlage der Harmoniepentatonik wird nur eben deutlich weniger bewusst wahr genommen, weil sie sich nicht auf Notenebene, sondern auf Taktebene abspielt. Somit trennen viel größere Zeiträume (bis zu zwei Takten) die eine Harmonie von der anderen und das harmonische Tempo wird deutlich langsamer wahrgenommen als das melodische.

Probleme beim nachvollziehbaren Hören von Rekursionsharmonik

Neulinge auf diesem gebiet, also alle außer mir, werden sich fragen, wie man von der Harmonik eines Songs auf einen Zahlenblock kommt und diesen umgekehrt ohne Noten in der Musik wiederfindet. Als Pionier und Spezialist auf diesem Gebiet fällt mir das Heraushören von Rekursionsharmonik in beliebigen Songs inzwischen so leicht wie das Aufheben eines heruntergefallenen Gegenstandes. Meine Hörerfahrung erlaubt es mir, selbstverständlich auch Akkordumkehrungen, Pedalbässe und Frakkorde im Sinne der Rekursionsharmonik korrekt in Echtzeit herauszuhören. Alle anderen Menschen außer mir, die diesen Text lesen, fehlt mutmaßlich diese Fähigkeit, um zumindest kontrollieren zu können, ob ich mich in Einzelfällen nicht doch verhört und geirrt habe und um eigene Beispiele kategorisieren zu können, die nicht in dieser Liste stehen (darunter selbstverständlich auch klassische Musik und Jazz). Rekursionsharmonik per Gehör und nicht nach Notenbild zu bestimmen, ist nun mal eine Leistung des Gehörs, die aber an Musikhochschulen in den Kursen für Musiktheorie, Harmonielehre, Satzlehre und der so genannten „Gehörbildung“ völlig unter den Tisch fällt, also überhaupt nicht gelehrt, vorangetrieben oder gefördert wird, weil hier sowohl in der Klassik als auch im Jazz entweder ausschließlich das Notenbild – also das Auge – der Maßstab ist oder im Jazz der isolierte Akkord mit all seinen Gestaltunsmöglichkeiten, nicht aber harmonische Zusamenhänge, die mehr als 2 bis 3 Akkorde betreffen, die sich auf einander beziehen. Wer von der Uni oder der Musikhochschule kommt, kann deshalb per Gehör faktisch keine Quintfallsequenz, Pachelbelsequenz, Flamencokadenz usw. erkennen. Wenn es um die Notation von Musik nach Gehör geht, werden in der Klassik nur Rhythmen, Zweitonintervalle und Solomelodien diktiert, in der Jazzausbildung werden immerhin Soli für das eigene Instrument als Hausaufgaben zur Transkription erteilt, die auch Ton getreu in echtzeit mit der Aufnahme nachgespielt werden müssen. In keinem Studiengang werden aber Aufgaben gestellt, die die Harmonik als Ganzes dokumentieren sollen. Der Fokus in der Musiktheorie ist traditionellerweise nicht auf dem Ohr, sondern dem Auge und dem Verstand. In der Jazzausbildung wird zwar bis zum Examen vorausgesetzt und gefordert, dass eigene Stücke wie Hausaufgaben komponiert werden, dennoch ist mir dabei bewusst geworden, dass im Jazzstudium viel wichtiger ist, wie etwas gemacht wird und nicht, was gemacht wird. Die Stücke, die von meinen JazzkommilitonInnen als Hausaufgaben oder für eigene Konzerte komponiert wurden, entstanden entweder genauso intuitiv, als würde gar kein Jazzstudium praktiziert, oder es handelte sich um edleres Songwriting, das den Standards im Realbook nacheifert. Ein zwölftöniges harmonisches Bewusstsein für Diatonik liegt aber eben nur latent vor und ist nicht Gegenstand der Jazzharmonik im Unterricht. Harmonische Analyse interessiert im Jazzstudiengang die allerwenigsten (Lehrkräfte wie Lernende). Das liegt meiner Erkenntnis nach aber nicht nur vor allem daran, dass erstens die traditionelle klassische Funktionsanalyse am Jazz meist scheitert, weil sie dafür nicht entwickelt wurde (schließlich existierte zu ihrer Entstehungszeit um 1880-90 noch gar kein Jazz) und zweitens Jazz nie nach akademischen Lehrmethoden oder übrhaupt nach einer Lehrtradition entstand und bis heute nahezu ausschließlich ohne Notation auskommt, zumindest eine genuin nichtschriftliche Musik ist. Für die Rockpopmusik gilt das fast ausschließlich. Es fehlt zur Beschreibung von komplexer, diatonischer bzw. funktionaler Harmonik, die die Klassik nie erreicht hat, an Fachbegriffen und Analysemethoden, die einer solchen Musik angemessen ist. Jazztheoriebildung ist nur über Bücher möglich, die ganz allmählich erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geschrieben wurden (das erste deutschsprachige von Axel Jungbluth 1981).

Die Rekursionsharmonik, wie sie hier dokumentiert wird, enthält nur selten Nebenstufen oder funktional betrachtet bemerkenswerte Akkorde. Deshalb ist eigentlich nicht viel Geschick nötig, um sich in der Grundharmonik zurechtzuhören. Funktionales oder stufiges Hören wird aber in der Musikausbildung gar nicht angeboten, wie ich gerade geschrieben habe und bestenfalls in der musikalischen Analyse abverlangt, hier aber wieder nur über das Auge durch das Notenbild und nicht nach Gehör. Popularmusik kennt aber generell keine Notation, wenn sie auch möglich ist, so dass Noten von Songs entweder nicht oder nur in schlechter Qualität existieren und dann auch nur in begrenzten Zeiträumen beschaffbar sind, nämlich nur so lange, wie ein Song aktuell ist und bis die Erstauflage eines möglichen Songbooks verkauft ist. Für wen soll auch ein Songbook gedruckt werden, wenn weder die Zielgruppe noch die Bands und Künstler selber eh keine Noten lesen können? Die wenigsten Songbooks, die überhaupt gedruckt werden, erleben eine zweite Auflage oder erreichen Repertoirewert. Das ist nur bei langjährig etablierten KünstlerInnen und Bands der Fall (AC/DC, Billy Joel, Celine Dion, The Police, Metallica, Elton John, Madonna, Stevie Wonder, Tina Turner, Donna Summer, Red Hot Chili Peppers etc.), so dass gar nichts anderes übrig bleibt, als sich auf sein Gehör zu verlassen. Geschult wird dies, wenn man freiwillig Hörpartituren = Transkriptionen von Songs anfertigt, die man mit seiner eigenen Band nachspielen will (wenn man eine hat). Das habe ich über Jahre immer wieder gemacht, weil ich als Trompeter natürlich daran interessiert war, Songs zu covern, in denen ich auch was zu spielen habe, zu denen es aber keine Songbooks gab. Den Amateurbands, in denen ich aktiv war, fehlte jegliche Musikausbildung und somit auch die Fähigkeit, nach Gehör Musik korrekt rauszuschreiben (falls sie überhaupt Noten lesen konnten), um sie exakt wie in der Aufnahme nachspielen zu können. Das war dann immer mein Job gewesen. Für die traditionelle Musikausbildung fordere ich deshalb imaginär, dass Hörpartituren angefertigt werden müssen, die sukzessiv komplexer werden, um sein Gehör auf Harmonik in großen Zusammenhängen, auf Stimmführung, Instrumentation, Effekte und Spieltechniken zu schulen. Mit traditioneller Musikausbildung meine ich die Studiengänge Jazz, Schulmusik, Musikpädagogik, Popularmusik (sofern es dafür eigene Studiengänge oder Schwerpunkte in Ausbildungsstätten gibt), Musiktheorie, Musikwissenschften und Musikethnologie. Den stärksten Nutzen haben davon die SchulmusikerInnen und Musikpädagogen, weil sie dann nämlich nicht auf den Kauf von Noten angewiesen sind, die vielleicht nie gedruckt wurden, sondern für den eigenen Unterricht, z.B. für den Instrumentalunterricht in Musikschulen, für Schülerbands, Schulorchester, Schulchor und den allgemeinen Musikunterricht in der Oberstufe alle Notenbeispiele nicht nur selber anfertigen können, sondern auf die aktuelle Situation auch aktuell und flexibel reagieren können, welche Musik auch immer in den Schülergenerationen gerade gehört wird. Derzeit leistet das nämlich weder die Ausbildung an Musikhochschuen noch das Interesse der zukünftigen MusiklehrerInnen.

Lerntipps für zwölftöniges Stufenhören der Rekursionsharmonik

Wer Rekursionsharmonik irgendwann in Echtzeit in Songs oder sonstiger Musik erkennen können will, muss in großen harmonischen Zusammenhängen hören lernen. Die Chromatische Stufentheorie muss man als Univesaltonart begreifen, die das Benennen von Akkordnamen überflüssig macht, solange Harmonik mit Akkordsymbolen darstellbar ist. Das ist die erste Hürde, die jemand nehmen muss, der nichts anderes kennt als entweder Akkordsymbole oder die traditionellen, klassischen Funktionstheoriesymbole ((alterierte) römische Stufenziffern oder Funktionszeichen). Zunächst muss überhaupt einmal gelernt werden, den jeweiligen Akkord- oder Harmoniewechsel als eine Stufe innerhalb der Tonart lokalisieren zu können. Damit ist noch nicht funktionales Hören gemeint, sondern nur die Erkenntnis, bei welchem Akkord innerhalb der Tonart welche Stufe vorliegt. Meistens ist das aber ganz leicht, weil die Popularmusik bekanntlich schlicht bis primitiv ist und im Bass deshalb so gut wie immer nur der Grundton des gegebenen Akkords erklingt und keine autonome Melodielinie gespielt wird. Schwieriger wird das dann bei Umkehrungen, Pedalbässen und Frakkorden, aber das kommt sowieso erst später.

Als nächstes muss metrisch gehört werden, indem erkannt wird, ob eine Harmonie halbtaktig, ganztaktig oder mehrtaktig eingesetzt wird und ob Mischformen daraus vorkommen. In meinen Zahlenblöcken wird ja aus genau diesem Grund nicht unterschieden, wie lange eine Stufe absolut verwendet wird, weil das im Wege der Kategorisierung keinen Sinn macht und unwichtig ist. Es ist viel ökonomischer, nicht Takte zu zählen und diese alle einzeln in den Stufenzahlen festzuhalten, sondern das Prinzip des Akkordwechsels abstrakter zu dokumentieren und auf eine Grundformel runterzubrechen, die relativ zur Taktmenge immer gleich lang ist. So habe ich das ja auch gemacht. Erst wenn jeder einzelne Akkordwechsel sicher als Ziffer oder Stufe innerhalb der gegebenen Tonart erkannt werden kann, also beim Hören sofort auch die Ziffer im Kopf ist, wohin sich die Harmonie bewegt, dann kann metrisch gehört werden und danach erst funktional. Das setzt voraus, dass immer erkannt wird, wo die jeweilige Tonika im Song vorkommt (Durtonika = 1, Molltonika = 6), denn sonst gibt es übehaupt keinen Zahlenbezug der Akkorde zueinander.

Neu ist hiermit auf jeden Fall, dass eben nicht länger nur 7 Stufen existieren, sondern 12 und dass der Durmollparallelismus abgeschafft ist, also die Molltonika nun 6 heißt und nicht mehr erste Stufe in der äolischen Skala ist, um Dur und Moll einheitlich mit dem selben Zahlensystem darstellen zu können. Das Erkennen der Nebenstufen (8 bis Z = zwölf) ist erst möglich, wenn man sich mit der dahinter stehenden Theorie vertraut gemacht hat, die ich in meiner Magisterarbeit 2011 entwickelt habe und hier in geraffter und sehr vereinfachter Form der Allgemeinheit vorstelle. Alle diese Umstände und (nicht vorhandenen) Voraussetzungen erschweren für AnfängerInnen den Nachvollzug der ganzen Rekursivblöcke als ein musikalisches Ereignis, das Harmoniewechsel chiffriert. Traditionell werden in allen Songbüchern nämlich absolute Akkordsymbole angegeben, ohne dass deren Funktion oder Stellung innerhalb einer Tonart damit deutlich wird. Diesen Anspruch haben die Akkordsymbole ja auch überhaupt nicht, sie sollen unmittelbar für den Hausgebrauch nachspielbar sein, aber mein entwickeltes Verfahren, Harmonik mit den Zahlen von eins bis zwölf diatonisch und gleichzeitig funktional darzustellen, integriert automatisch das harmonische Verhältnis, das die einzelnen Akkorde innerhalb einer Tonart zueinander haben – auch für den Laien, der sich um die Bedeutung und Akkordfunktion überhaupt nicht schert.

Wer sich zügig auf Rekursionsharmonik einhören und sie intellektuell verstehen will, dem empfehle ich, sich vielleicht 2 bis 3 Blöcke mit ganz besonders vielen Titelnennungen herauszusuchen, die insgesamt alle Grundziffern enthalten (also die Ziffern eins bis sieben auf zwei bis drei Rekursivblöcke verteilt). Aus diesen Blöcken sucht man sich wiederum diejenigen Titel raus, die möglichst ein T für Totalverwendung in Klammern als Formteilangabe haben, weil sich dann nämlich die Akkordauswahl und Menge durch das ganze Stück nie ändert. Hier können dann Songs bei sein, bei denen die Akkorde halbtaktig, ganztaktig oder zweitaktig eingesetzt werden. Diese sollte man sich dann beschaffen (z.B. im Internet raussuchen) und vergleichend anhören. Wenn das gemacht wird und alle Stufenzahlen dabei berücksichtigt werden, wird ein Gefühl entstehen, was Rekursionsharmonik akustisch bewirkt, wie sie funktioniert, wie sich Harmonik im Wechsel von Stufenzahlen darstellen lässt und dass auch beliebige Tonsprünge des Basses sich irgendwann routiniert als Grundtöne von Akkorden hören lassen.

Kritik am Umgang mit der Rekursionsharmonik

Alle, die heutzutage gar kein Radio mehr hören, weil es selbst beim Öffentlich Rechtlichen Rundfunk nur noch Formatsender gibt, die, um HörerInnen buhlend, den Privatsendern kommerziell nacheifern und alle, deren eigene Musikinteressen ganz woanders liegen als beim Hitparadengedröhn, Bravohits, Boygroups, Tralala und Singsang, werden sich bestimmt schon mal gefragt haben, warum diese Musik des so genannten Mainstreams immer gleich und einander so ähnlich klingt. Das gilt z.B. für Sender wie WDR2, Einslive, WDR4, Bayern3, NDR2, RPR3, Radio Bremen 4 und andere und in noch viel gesteigerter Form erst recht für alle Privatsender, die eine ganz besondere Phantomhörerschaft zu Zielpersonen erklären, die wiederum nach Jahrgängen sortierbar sind: Musik für „die Jugend“ (bis 30), für die arbeitende Bevölkerung zwischen 30 und 50 und alle anderen ab 50+. Dabei ist weiterhin auffällig, dass diejenigen Songs, die für „die Jugend“ erst zu Hits gezüchtet werden, nach ihrer Aktualität auf die anderen Sendeformate für die älteren Hörer verteilt und durchgereicht werden, so dass man auch hier mit zunehmendem Alter immer die selben Songs hört. Beispiel: der Neuling oder zu Englisch Newcomer wird bei 1Live mit Gewalt etabliert, indem er in die so genannte Heavy Rotation genommen wird (hat entgegen der Namensgebung nichts mit Heavymetal zu tun) und über Wochen alle 4 Stunden gespielt wird. Nach einem Jahr spätestens ist der Song in der normalen Rotation und nach ca. 5-10 Jahren wird er zu WDR2 durchgereicht (manchmal geht das auch sofort, z.B. bei Leuten wie Andreas Bourani, Adel Tawil, Herbert Grönemeyer u.a.). Hier befinden sich kaum aktuelle Titel, sondern nur solche, die mindestens 10-20 Jahre alt sind. Die mitgealterte Hörerschaft, die keinen „Jugendsender“ mit Teenymusik mehr hört, kennt die aktuellen Songs nicht oder interessiert sich nicht mehr dafür und will das hören, was in ihrer eigenen Jugend modern war, also hören sie WDR2, wo das Zielpublikum entsprechend zwischen 30 und 50 angesiedelt wird. Ist man auch dieser Generation entwachsen, schaltet man auf den Sender WDR4 um, weil man hier nur deutschsprachige Musik, Schlager und Superoldies hört. Man hört sich also immer nur diejenigen Songs über Jahrzehnte an, die man von der Kindheit über die Pubertät bis zur Adoleszenz (ca. 20-25 Jahren) kennen gelernt hat – vorausgesetzt, man wird über das Radio noch musikalisch sozialisiert.

Rekursionsharmonik ist ein ganz zentraler Grund für den Gleichklang aller Songs im Formatsenderradio, ganz egal ob privat oder öffentlich rechtlich und ganz egal ob diese Rekursionsharmonik in sich pentatonisch strukturiert ist oder nicht. Das ist aber längst nicht der einzige Grund. Wenn man sich mal in der Liste einen Überblick verschafft, welche Blöcke hier zur hegemonialen Masse gehören und dann mal überlegt, welche Interpreten und bisweilen welche Genres dahinter stecken, wird deutlich, um welches Format es sich bei den Sendern handelt. Wer fürs eigene Songwriting ausgerechnet die beliebtesten Rekursivblöcke wählt, womöglich noch absichtlich, setzt seine eigene Musik direkt mit all jener gleich, die hier schon bei den Blöcken in der Masse untergeht. Wie will da noch jemand positiv auffallen, nicht nur neutrale bis unbedeutende Wahrnehmung erfahren und künstlerisch herausstechen? Wer mit dieser mächtigen Harmonisationstechnik großzügig bis ausladend arbeitet – gemeint ist für jeden Formteil innerhalb eines Songs einen eigenen Rekursivblock und in jedem Song die gleichen oder andere – um sich immens Arbeit abzunehmen und Zeit zu sparen, wird mit unbekannten und selbst komponierten Songs beim Livepublikum (und mit Glück auch im Radio, wenn’s zu einer Labelveröffentlichung kommt) zwar automatisch als vertraut wahrgenommen, aber wie will man sich denn dann noch gegen die ganze Konkurrenz durchsetzen, die das genauso macht und bereits etabliert ist? Will man wirklich der Chartstürmer werden, der schlimmstenfalls als Onehitwonder schnell wieder weg vom Fenster ist und auf Bravohits beerdigt wird? Mit der Rekursionsharmonik ist das überhaupt kein Problem – aber sie taugt eben auch für mehr, als nur den Mainstream zu bedienen, wie die vielen anderen Genres in der Liste beweisen.

Je bekannter ein Rekursivblock ist – also je größer die Menge an Songs ist, die ihn verwendet und je bekannter auch deren Interpreten sind – desto größer ist die Gefahr, bekannte Songs zum Vorbild zu nehmen und zu kopieren. Das kann die Kreativität hemmen. Ungeübte Laien lassen Rekursivblöcke rotieren, rotieren, rotieren und kommen aus ihnen nicht mehr raus, weil sie keinen Anschluss an die blockmäßige Akkordfolge finden (Erfahrung aus jahrelangen Jamsessions in meinen Bands), weil der Block immer auf sich selbst zurückführt und keine andere Schlussbildung oder Weiterführung logisch scheint (wie ein Hamsterrad, das nie zum Stillstand kommt, solange man auf den Beinen daraus weglaufen will). Desweiteren zwingt ein Rekursivblock dem Komponisten sehr schnell auch das melodische Material auf, also die Tonauswahl, die darüber verwendet wird, so dass auch hier die Gefahr besteht, unbewusst vorhandene Melodien nur zu kopieren und leicht abzuwandeln. Das vom Rekursivblock aufgezwungene Melodietonmaterial ist bei allen, die nur Grundakkorde verwenden, dann immer pentatonisch, weil das immer passt. Dies wiederum wird forciert und regelrecht erzwungen, wenn die Zusammensetzung des Rekursivblocks selber auch noch pentatonisch ist (s.o.), also auf den Grundtönen der Melodiepentatonik aufgebaut ist (12356 oder 12456 als Materialgrundlage). Generell besteht die Gefahr insbesondere bei Gitarristen, auch noch das zu einem Rekursivblock gehörende Riff oder dessen Rhythmik mitsamt der Tonart zu kopieren[14] und für alle Komponisten ist die Gefahr gleichermaßen groß, es sich mit diesem Rezept zu einfach zu machen, anstatt losgelöst davon ganz neue Wege einzuschlagen. Ersteres machen alle Rapper und Neulinge im Musikbusiness gern, die sich selbst produzieren, weil heutzutage minimale maschinelle und privat angeschaffte Musikausrüstung für alle Menschen erschwinglich nutzbar ist, ohne noch irgend ein traditionelles Musikinstrument lernen zu müssen und ein ganzes Tonstudio zu mieten. Alles kann billig in der Wohnung produziert werden. Man braucht ja nur noch einen Rechner mit Musikproduktionsprogrammen, ein Referenzkeyboard mit nur noch anderthalb Oktaven Tonumfang oder Klangmodul zum Ansteuern von Sounds, vielleicht einen Sammpler und Drumcomputer (extern kaum noch, meist in die Software integriert). Rhythmen und Begleitmuster werden in eingebauten Bibliotheken und Datenbanken zur Verfügung gestellt, nicht einmal mehr das muss man sich noch selber ausdenken und spielt ohne jeglichen musikalischen Sachverstand (Musiktheorie, Harmonielehre, Instrumentalunterricht, Formenbewusstsein) mit seinen Geräten herum, bis der Song fertig ist. Ein ehemaliger, einmaliger Hitlieferant der Neuen Deutschen Welle, namentlich Andreas Dorau, der 1981 den Song „Fred vom Jupiter“ in den Hitparaden hatte und damals gerade mal 16 Jahre alt war, sagt von sich selber: >>“Ich bezeichne mich nicht als Musiker. Ein Musiker ist jemand, der ein Instrument beherrscht. Also ich mache Musik, aber bin kein Musiker.“ Der Radiomoderator: „Also Sie stehen vorm Rechner und basteln was zusamen?“ A. Dorau: „Ja, oder ich spiele auf einer Gitarre 3 Noten und die loop ich.“<< Das hatte Andreas Dorau nicht 1981 gesagt, wo es diese Technik überhaupt noch gar nicht gab, sondern 34 Jahre später in der Radiosendug „Redezeit“ des Senders WDR5 vom 11.5.2015. So macht das heute jeder Musikproduzent, der kein Instrument spielen kann.

Darunter fallen Leute wie Sam Sparrow, David Guetta, Taio Cruz, Koala, DJ Bobo, Rooney, Thomas Godoj, Sido, Bushido, Eric Prydz, Dario G., Nana, Liquido, Blaze, Sir Prize, Haddaway, Squeezer, Paraphyzer, Two Unlimited, Heath hunter & the pleasure company, Snap!, Twenty 4 Seven, Blümchen, Captain Jack, Fun Tomas, Sin with Sebastian, der produzent von Wigfield, Culture Beat, Dance 2 Trance, Groovezone, DJ Quicksilver, DJ Nervous, DJ Sammy, DJ Visage, Daddy DJ usw. usw. oder der jeweilige Produzent in zweiter Reihe hinter diesen Namen, die einem alle nichts (mehr) sagen, sofern man nicht zufällig deren Hits aus seiner eigenen Pubertät kennt. Sie schaffen es teilweise in die Charts, können je nach Vermarktungsstrategie und Werbeaufwand der Plattenindustrie irgendwann etabliert sein und auf einem Bravohits-Sampler und ähnlich lautenden landen (Dance-Mission, Party Power, Kuschelrock etc.). Von diesen habe ich unzählige durchgehört. Die ganzen vielen „DJs“ im Künstlernamen sagen unmissverständlich aus, welchen Bezug diese Menschen zur Musik haben und mit welchen musiktheoretischen Voraussetzungen (nämlich gar keinen) sie sich als Laienmusiker an ihre Geräte setzen und drauflos produzieren. Die wenigsten (darunter einige der Erstgenannten) können sich dauerhaft etablieren, womit mehr als 6 Jahre gemeint sind. Man merkt allen solchen Songs an, dass nur eine Kernidee am Rechner entwickelt und permanent kopiert wurde, anstatt einen Song von vorn bis hinten auszuarbeiten und durchzukomponieren. Davon verstehen diese Leute mit ihren Heimcomputern überhaupt nichts und entwickeln auch gar keine Ansprüche dahin. Das geht so weit, dass nicht nur der gesamte Song nur noch aus einem einzigen Rekursivblock besteht, sondern die Kernidee akustisch ebenso permanent wiederholt wird, weil den Typen gar nichts anderes mehr eingefallen ist und ihnen die Automatisierung ihrer Musikmaschinen alle Arbeit abnimmt – auch das Denken, so z.B. bei Alice Deejay: Better of alone (T 4365) oder DJ Pierro: Another world (Technodance, ein absolut typischer Nichtskönner von tausenden. Der gesamte Text besteht nur aus diesen 2 Wörtern und dem Rekursivblock 4566).

Das ist kein Missstand, der nur Amateure und Laienmusiker betrifft, sondern mir bei industriell produzierter Musik überhaupt erst auffiel, erkennbar bei Songs, die überhaupt nichts anderes benutzen als einen einzigen Rekursivblock, z.B. Lenny Kravitz mit Fly away sowie P!nk mit Dear diary – beide verwenden (wie noch viele andere in der Liste) den selben Rekursivblock 6152 ohne die geringste Abänderung oder Variation in sämtlichen Formteilen von Anfang bis Ende, ebenso Wham! mit Last Christmas (1625 im gesamten Stück) und unzählige andere Beispiele. Je nachdem, ob die Harmonien halbtaktig, ganztaktig oder zweitaktig verwendet werden, ließen sich bei einer Instrumentalversion die Melodien beliebig austauschen. Wie langweilig so etwas ist, merkt man ganz besonders dann, wenn auf Singles immer wieder Instrumentalversionen des Songs veröffentlicht werden und der Gesang fehlt. Harmonisch dreht sich alles im Kreis, alle 4 Akkorde immer das selbe, keine Abwechslung, an Rechnern zusammenkopiert. Wer hört sich die denn komplett an? Sie sind für drei Gelegenheiten nützlich: 1. zukünftige Musikproduzenten benutzen diese Instrumentalversionen als Sampelgrundlage für andere Songs, 2. man könnte eine Karaokeanlage damit füttern bzw. privat das Singen üben, 3. MusikerInnen könnten diesen Klangteppich als „Play along“ zum Üben für Improvisationen nutzen, aber diese letzte Möglichkeit kommt wohl kaum in Betracht.

Solche Songs stammen nicht nur von selbst ernannten Dancepopproduzenten, den ganzen DJs und etablierten Stars, sondern auch von „normalen Künstlern“ ohne jegliche musikalische Ausbildung wie Gabriela Cilmi (Sweet about me), Annett Louisian, Yvonne Catterfeld u.v.a., die nur durch ausdauernde Hartnäckigkeit und Zufall Erfolg haben, oder sie stammen von Stars, die ebensowenig eine musikalische Ausbildung haben, als reine Interpreten wirken und sich ihre Songs von Anfang an nur haben schreiben lassen (Kelly Clarkson, Katy Perry, Whitney Houston, Paloma Faith, Madonna, Nelly Furtado, Celine Dion, Sasha (?), Lily Allan, Lena (Meyer-Landruth), Franka Potente, Toni Braxton, Beyonce, Sandra, Spice Girls etc., Boygroups und seit jeher Schlagerstars aller Epochen). Das ist zwar zynisch bemerkt, zumal es natürlich immer noch SingersongwriterInnen gibt, die ebenso Rekursionsharmonik verwenden und ihre Songs noch selber schreiben (Avril Lavigne, James Taylor, Keran Goss, Heather Nova, Rickie Lee Jones, Alanis Morissette uvam.), aber niemand in diesem Business hat eine musikalisch-künstlerische Ausbildung durchlaufen, um geistig zu begreifen, was da eigentlich für Reproduktionsprozesse und unbewusste Kopierprozesse ablaufen. Ein besonders krasses Beispiel für das degenerierte Musikmachen eines Singersongwriters ist Philipp Dittberner mit seinem Song Wolke 4″ (2015), weil der Song ein einziges Harmonieschema hat (41+36), das ununterbrochen über die Gesamtdauer des Liedes verwendet wird. Mit der Gitarre wurde jeder der 4 Takte mit der Gitarre einzeln eingespielt und am Rechner einfach nur aneinander geklebt und endlos kopiert. Genau so, wie es Andreas Dorau von sich beschrieben hat. Das ist in der Singersongwriterszene eine Dreistigkeit und ein Sakrileg, das macht man einfach nicht. Dann spielt auch keine Rolle, dass dieser Rekursivblock zu den ganz seltenen gehört, der bisher nur 5 weitere Beispiele hat, die man in dieser Liste nachlesen kann (u.a. der Refrain von Hotel California der Eagles).

JedeR verwendet Rekursionsharmonik wegen ihrer Allgegenwärtigkeit deshalb intuitiv und nicht etwa rational, also im Bewusstsein um das Rekombinationspotenzial der Akkorde. Sie sind sich alle nicht im Klaren darüber, dass sie nur bewährte Kadenzmodelle kopieren, ohne sich eigene auszudenken. So verwundert es nicht, dass gewisse Blöcke massenweise benutzt werden, andere (mangels Vorbildern) überhaupt nicht, sie sind also nicht gleichmäßig im Gebrauch verteilt. Und die Radiolandschaft ist voll mit diesen Songs, so dass das Sendeformat permanent gleichgeschaltete Musik vorgibt, die sich aus genau diesen Gründen einander so ähnlich und immer gleich anhört, weil sich das Harmonieschema gar nicht oder nur unwesentlich ändert und nur noch Kadenzblöcke kopiert und wiederholt werden. Warum machen die DJs, Hobbyproduzenten, Songwriter, Gitarristen das alle so? Eine sehr wichtige Antwort liefert Volkmar Kramarz in einem Radiointerview:

>>Ich sage: wann immer solche Akkordformeln auftreten, dann haben wir’s mit Popmusik zu tun. Es geht also weniger darum, dass Musik sehr Jugend bezogen, sehr rhythmisch, sehr soundmäßig angelegt ist, sondern ich sage heute: wenn bestimmte Akkordformeln auftreten, dann haben wir Popmusik vor uns. […] Popmusik kommt aus dieser ganzen Welt, auch der sogenannten klassischen Musik, der Folklore usw. und hat natürlich eine Menge Regeln übernommen, hat aber längst schon eigene Regeln entwickelt und hat vor allem dieses Grundcharakteristikum, dass es eben sagt: wir bauen immer erst auf einer Akkordformel auf. Popmusik entsteht nie so wie früher z.B. Klassik (oder wie man’s sich so vorstellt) – man singt eine schöne Melodie und dann findich aunoch’n paar nette Akkorde dazu, sondern es geht imma umgekehrt: wir ham erst ein paar Akkorde und zu diesen Akkorden, die eigentlich das Publikum (und die Musiker sowieso schon) längst kennen, zu denen lass ich mir jetzt eine neue Melodie einfallen. Das wird Pop.<<[15]          (Alle Hervorhebungen sind der Betonung des Sprechers nachempfunden)

Gemäß dieser Definition wäre alles Popmusik, was in dieser Liste steht. So einfach ist es aber nicht, weil das nicht nur mit Rekursionsharmonik (Kramarz nennt sie Formeln) zu tun hat. Fakt ist, dass Rekursionsharmonik vehement zur Popularisierung von Musik beiträgt und der Entstehungsprozess populärer Musik genau so, wie Kramarz ihn beschreibt, vor sich geht, weil er eben nichts mit Rationalität und musiktheoretischen Überlegungen zu tun hat, sondern mit ganz einfach gehaltenen, um nicht zu schreiben primitiven praktischen Musizierfähigkeiten des Laien und Amateurs, der sich irgendwann professionalisiert, also beruflich durchsetzt. Ich mache Zugeständnisse an zwei Genres, die Rekursivblöcke benutzen müssen, weil sie hier stilistisch bedingt konstitutiv sind: Hip Hop und Techno (mit seinen Substilistiken Trance, House usw.). Das hängt mit der Entstehungsgeschichte und Kultur dieser Genres zusammen, auf die ich hier nicht weiter eingehe. Sobald vom Hip Hop nur noch der Rap übrig bleibt und der Refrain der einzige Formteil ist, in dem noch eine Leitmelodie (Hookline) gesungen wird, vermischt sich dieses Genre mit der Popmusik und kann nicht mehr scharf von ihr getrennt werden.

Finanzielle Wertschätzung von Musik

Diejenige Musik aber, die auf den Markt kommt, die in ihrer Entstehungsphase keine automatisierende Technologie braucht (Sampler, Sequenzer, Rechner, Programme, Rhythmus- und Begleitautomatiken usw.) und während des kreativen Prozesses grundsätzlich mit traditionellen Instrumenten entsteht, also den Anspruch hat, „handgemachte“ Musik zu sein, sollte erkennen lassen, dass eine geistige Leistung dahinter steht, die mehr zu bieten hat als das primitive Dauerwiederholen einer einzigen harmonischen Grundkadenz aus 3-4 Akkorden, die ich genau aus diesem Grunde Rekursivblock nenne. Das kann nicht nur jeder Laie machen, das macht auch jeder Laie bis zum Profi. Wie langweilig muss es für alle Bandmusiker sein, minutenlang immer das selbe, unveränderte Begleitmuster zu spielen, wenn den ganzen Song lang nur ein einziger Rekursivblock benutzt wird? Ok, der Amateur und Hobbymusiker ohne musiktheoretische und handwerkliche Bildung, der sich voller Stolz sein Bandinstrument womöglich auch noch selber beigebracht hat, ist natürlich allein damit schon glücklich, weil er überhaupt etwas fehlerfrei spielen kann, das mit musikalischen Grundkenntnissen zu bewältigen ist und ihn nicht überfordert. Ein kompetenter Songwriter aber, der nicht allein für sich selber Songs komponiert, sondern ebenso für andere InterpretInnen, hat ein anderes Niveau zu erfüllen, sonst wäre er ja nicht kompetent. Deshalb muss wegen spieltechnischer und sonstiger Langeweile vermieden werden, Rekursivblöcke mechanisch zu kopieren, selbst wenn die Musik von Hand gespielt wird. Das selbe gilt auch den Pendenzen, wo sogar nur 2 Akkorde verwendet werden. Bei den Pendenzen muss noch mehr Aufwand betrieben werden, um nur 2 Akkorde sehr abwechslungsreich verwenden zu können und einen ganzen Song daraus zu gestalten. Am besten gelungen finde ich das bei dem Klassiker La conga von der Miami Sound Machine (Sängerin Gloria Estefan) oder dem deutlich jüngeren Stück Mambo No.5 von Lou Bega (Onehitwonder). Ich bin der festen Überzeugung, dass die finanzielle Wertschätzung von populärer Musik allein deshalb schon völlig am Boden liegt, weil eben überhaupt nichts dahinter steckt, auf diese Weise einen Song zu produzieren, wenn das jeder Depp ohne jegliche musikalische Bildung machen kann, um nur noch die Melodie auszutauschen. Das ist eben keine Kunst mehr, sondern industrialisiertes Laienmusizieren. Bestätigt wird das durch einen Wikipediaeintrag (Januar 2013), der wirklich repräsentativ für alle Laienproduktionen solcher Art ist, wo tatsächlich jede unmusikalische Privatperson nur ausdauernd genug sein muss, um einmaligen Erfolg zu haben:

SIN WITH SEBASTIAN:

>>Sebastian Roth, der nach dem Abitur Mediendesign studierte und danach in London lebte, hatte 1992 von einem Freund in einem professionellen Tonstudio einen Tag Studiozeit geschenkt bekommen. Er nutzte diese Zeit dazu, um einen Mix von Shut up (and sleep with me) zu machen. Zunächst erhielt Roth, der bei verschiedenen Labels mit dem Demoband vorsprach, eine Absage nach der anderen. Nach drei Jahren bekam er schließlich doch noch einen Produktionsvertrag vom Hamburger Studio Boogie Park Productions angeboten. Der Song wurde noch einmal etwas überarbeitet und avancierte daraufhin 1995 europaweit zum Hit. Der Song erreichte in Deutschland Platz 4 der Charts, in Österreich, Polen, Spanien, Finnland, Litauen und Mexiko war der Song ein Nummer-1-Hit, in den USA erreichte der Song Platz 26. Das Projekt erreichte in Deutschland und Österreich Goldstatus und wurde für den Musikpreis „Echo“ in der Kategorie „Bester Dance-Act national“ nominiert. Die Nachfolgesingle Golden Boy erreichte zwar in Finnland Platz 3 der Charts, aber das gleichnamige Album blieb hinter den nun hohen Erwartungen zurück, und Sebastian Roth zog sich ab 1997 aus der Öffentlichkeit zurück, um sich anderen Projekten zu widmen.<<

Halten wir also einmal fest: ein musikalisch vollkommen ungebildeter 0,815-Mensch bastelt mit primitivsten Mitteln einen Song zusammen, belibt 3 Jahre lang hartnäckig am Ball, um diesen einzigen Nachweis der Beschäftigung mit Musik, den er bis dahin je gebastelt hat, unters Volk zu bringen, und eine Firma fällt dann doch noch darauf herein, weil deren Betreiber ebenso unmusikalisch sind, und vermarktet diesen Song. Alle, die die Promo-CD erhalten und für gut befunden hatten (oder dafür bestochen wurden, das ist in dieser Branche üblich und heißt Payola), haben ebenso keinen musischen Sachverstand und spielen sie im Radio oder als DJ in der Disco. Die Unmusikalität zieht sich über die Käuferschicht und den Sampler Bravohits bis hin zur Jury des Echopreises, wo der Gipfel an musischer Dekadenz erreicht ist, indem für diese Stümperei auch noch ein nationaler, hochrangiger Preis verliehen wird. Stumpfsinn wird tatsächlich auch noch hochgradig belohnt – ausschließlich nach marktwirtschaftlichen Kriterien, also Verkaufszahlen. Dann ist die Kuh abgemolken und kann zur Schlachtbank gebracht werden. Der Musikdilettant bekommt für sein Machwerk auch noch Recht und große Ehren, macht nach dem ebenso stümperhaften Nachfolgealbum keine Musik mehr und geht bürgerlichen Berufen nach. Er war nie Musiker und wurde nie einer. Einmal Star und zurück – so textete die Hiphopband Massive Töne in einem eigenen Song namens Chartbreaker für genau diesen Sachverhalt, dass ein Mensch von seinen Voraussetzungen und Zielen überhaupt nichts mit Musik zu tun hat und nur durch eine Verkettung von Zufällen und Hartnäckigkeit einen Song in den Hitparaden platziert und danach wieder von der Bildfläche verschwindet. So ein Typ ist dann offensichtlich Vorbild für den potenziellen musikalischen Nachwuchs? Jeder kann es ohne die geringste musikalische Qualifikation ganz nach oben schaffen, er hat es doch bewiesen? Ich sage ganz vulgär dazu: Songs wie diese sind Jugendverarschung! Da der Echopreis ein Publikumspreis ist, repräsentiert er somit die flächendeckende dekadente Unmusikalität der Hörerschaft durch ihr Kaufverhalten, das die PreisträgerInnen nominiert.

Kaum jemand ist noch bereit, für Tonträger Geld auszugeben. Internetdateien laufen der CD den Rang völlig ab, weil sie immer illegal bzw. illegitim erzeugt und beschafft werden können und selbst, wenn sie ganz legal gekauft werden, im Verhältnis zu den Entstehungs- und Produktionskosten für die SongwriterInnen sittenwidrige und ausbeuterische Geldbeträge – Bruchteile von Eurocents! – an Verdienst einbringen.[16] Popmusik verliert, wenn es ums Bezahlen geht, völlig die Faszination, weil sie heutzutage (2012) nur noch aus Rekursionsharmonik zusammengesetzt wird, ganz egal ob mit traditionellen Instrumenten improvisiert oder mit Musikmaschinen produziert. Rekursionsharmonik beherrscht die Radiolandschaft und den musikalischen Konsumalltag. Alle musikalisch ungebildeten MusikkonsumentInnen können zwar den hier geschilderten Sachverhalt nicht benennen, aber das Phänomen Rekursionsharmonik und deren Auswirkungen ist ihnen natürlich dahingehend bekannt, als dass sich in deren Wahrnehmung beliebige Songs unterschiedlichen Stils dennoch irgendwie immer gleich oder ähnlich anhören. Der Einzelsong verliert seine magische Ausstrahlung und Individualität und man hat das Gefühl, es komme auf den einzelnen Titel überhaupt nicht an, also kann ich ihn mir auch illegal oder virtuell ohne CD beschaffen. Dilettantisch im Studio gebastelte Songs von Nichtmusikern wie der obige von Sin with Sebastian lassen keinerlei handwerkliches Können erkennen, das künstlerisch zu honorieren wäre. Da spielt es überhaupt keine Rolle, dass dieser Einalhit so erfolgreich war, weil jeder weiß: das kann ich auch, also steckt nichts dahinter. Korrekt. Die Ware taugt nichts, ich lade sie mir ohne zu bezahlen aus dem Internet.

Wenn ich persönlich irgend einen Radiosender – egal ob privatrechtlich, öffentlich rechtlich oder im Internet – mit Popmusik auswähle, erkenne ich sofort alle harmonischen Zahlenblöcke, kann diese voraushören und finde sie in meiner hiermit veröffentlichten Liste wieder. „Popmusik“ ist in diesem Zusammenhang keine Genrebezeichnung, sondern meint ganz allgemein populäre Musik in Abgrenzung zum Jazz und zur Klassik und ich bezeichne diese bewusst nicht als Unterhaltungsmusik, weil es eben auch im Jazz und der Klassik jede menge Unterhaltungsmusik gibt.

Konkrete Beispiele für den inflationären Umgang mit Rekursionsharmonik

 

Querschnitt einer Band

Die Musik der Boygroup Backstreet Boys ist ohne Rekursionsharmonik undenkbar und wäre nicht das, was sie ist, um nebst Outfit, Image, Tanzchoreografie, Vermarktungsstrategie, Liebestexten usw. der Band so nachhaltig und langfristig Erfolg zu sichern. Der statistisch betrachtet mächtigste Rekursivblock 1564 wird in (bisher) 4 verschiedenen Songs grundsätzlich im Refrain benutzt, im letztgenannten auch im Intro und der Strophe: Helpless when she smiles (R), Drowning (R), Straight through my heart (R) sowie I neet you tonight (I, S, R). Der Rekursivblock 1645 wird in (bisher) 2 Songs verwendet: I’ll never break your heart (R 16[4325]) und Back to your heart (R), im Song Longer than life wird der Block 665+2 in den drei wichtigsten Formteilen gleichzeitig verwendet (I, S, R), so dass hier nur die Bridge abweicht. Rhythmus, Taktart, Textwahl und Tempo spielen dabei überhaupt gar keine Rolle, weil das Harmonieschema eines Rekursivblocks als „Verpackung“ und somit im Formbau für wiedererkennbare Struktur sorgt – immer 4 Akkorde, die unterschiedlich schnell (halbtaktig, ganztaktig, zweitaktig) in mindestens einem Formteil wiederholt werden. In der Rekursivblocksammlung sind die Backstreet Boys mit bisher 14 Songs in 10 Rekursivblöcken vertreten und ich brauche gar nicht erst sämtliche Alben von denen akribisch darauf durchzuhören, um deutlich zu machen, dass nur diese Auswahl an Radiohits aus den ersten 10 Jahren völlig genügt, um die Mächtigkeit der Rekursionsharmonik und einzelner Rekursivblöcke vor Augen und vor Ohren zu führen.

Längsschnitt eines Albums

Beyonce Knowles, die ehemalige Frontsängerin der Girlgroup Destiny’s Child, hat 2008 ihr Album I am…Sasha Fierce veröffentlicht. Freilich hat sie keinen einzigen Song selber komponiert, das ganze Album wurde komplett für sie produziert, wie das für diese Branche und hübsche Sängerinnen, die sonst nichts können, üblich ist. Es enthält 16 Songs, davon wurden vier mit dem Block 6415 bzw. 6415/7 komponiert (25%) und diese sind: If i were a boy (I, S, R), Broken hearted girl (S), Smash into you (R) und Radio (T). Zwei weitere Titel enthalten nichts anderes als einen einzigen anderen Rekursivblock für den ganzen Song (Halo – 1264 sowie Sweet dreams – 65346512) und wiederum zwei weitere Songs enthalten noch einen und zwei weitere Rekursivblöcke. Der Rest der Songs ist weniger repetitiv angelegt, was die Harmonik angeht und es wechseln sich andere Akkorde ab. Man merkt diesen ganzen Songs an, dass sie blockschaltbildweise mit Kopierverfahren am Rechner zusammengestellt und nicht von Instrumentalmusikern durch Spielpraxis komponiert wurden. Man fängt mit einem Grove an, greift intuitiv die Harmonik eines bekannten Rekursivblocks auf und improvisiert meist pentatonisch eine Melodie dazu, die dann von der Interpretin gesungen wird. Der Text kommt zum Schluss dazu. Jeder kann das machen. Auskomponierte Songs sind auf dem Album nicht zu finden. Damit ist gemeint, dass es in keinem Song eine symbiotische Wechselwirkung zwischen Text und Musik gibt, wo zu merken wäre, dass beides auf einander künstlerisch abgestimmt worden wäre.

Querschnitt durch einen historischen Rekursivblock

Nehmen wir als weiteres rausgepicktes Beispiel die Massenformel 1645, den ganz klassischen, originalen, so genannten Turnaround. Er wurde vom oben zitierten Andreas Dorau im Refrain seines einzigen Erfolgstitels Fred vom Jupiter verwendet. Schon The Marvelettes hatten damit in den 60er Jahren einen Nr.1-Hit mit dem Song Please Mr.Postman, der später noch von den Beatles und den Carpenters gecovert wurde. Bis auf eine Variation nur am Anfang dieses Songs wird ausschließlich diese Formel zweitaktig in jenem gesamten Song verwendet (also jeder Akkord 2 Takte lang). In den 80er Jahren brachte Madonna ihren Hit True blue heraus, ebenfalls in Intro, Strophe und Refrain ausschließlich und zweitaktig mit dieser Formel harmonisiert. Jetzt lässt sich aufgrund des identischen harmonischen Rhythmus die jeweilige Melodie einfach austauschen und über Intro, Strophe und Refrain von Madonna Please Mr. Postman singen oder umgekehrt über jenen Song die Strophe und der Refrain von True Blue. Das ist so banal, dass man das mit allen Songs machen kann, für deren Rekursivblöcke es wenigstens 2 Beispiele gibt, die in einem Formteil die selbe Taktlänge, Akkordauswahl und das gleiche harmonische Tempo haben. Beispiele: Peter Schilling (Popstar der Neuen Deutschen Welle zwischen 1980-1985) hat in zwei seiner Hits den selben Rekursivblock 1524 ganztaktig im Refrain benutzt: Major Tom sowie Terra Titanic. Ebenso benutzt ihn über 30 Jahre später (2012) Katie Perry gleich in 3 Formteilen ganztaktig (S, R, Z) in Hot’n cold. Vergeht einem da nicht die Lust, Rekursionsharmonik überhaupt noch zu verwenden, wenn man ständig je nach Geburtsjahrgang an alte Hits und Erfolgstitel erinnert werde? Will ich riskieren, darauf angesprochen zu werden, dass mein Song einem so bekannt vorkommt oder einem konkret genannten Vergleichstitel so ähnlich sei? Ist das noch kreativ? Ist das noch eine geistige oder etwa künstlerische Leistung, die mit Geld honoriert werden sollte? Ich sage: der musikalisch ungebildete Hobbybastler, der wie Sin With Sebastian und Andreas Dorau kein einziges Instrument spielen kann und in seiner Freizeit mit primitver, wenn auch teurer technischer Ausstattung in kürzester Zeit in seiner Wohnung einen „Song“ produzieren und im Internet veröffentlichen kann, empfindet sich als einen genialen Musikschöpfer ohne jegliche Fähigkeit zur Selbstkritik. Es zählt ausschließlich das Urteil von Leuten als „Beweis“ für „Qualität“, die solche Produktionen in Form von Internetklicks an- oder auswählen und früher noch als Schallplatte und CD gekauft hatten. Die Ansprüche an die Qualität von ernsthaft raffiniert komponierter Musik liegen völlig am Boden. Das ist der Grund, warum eine Verkaufsplattform für Gebrauchtmedien wie Momox im Internet für eine massenkompatible CD (z.B. Justin Timberlake, Justin Bieber, Kelly Clarkson, Tina Turner oder Shakira) nur noch 15 Cent (!!!) für ihren Ankauf berechnet, sobald die Musik nicht mehr in den Charts oder schon ein Jahr alt ist. Es gibt keine Wertschätzung mehr für Musik, weil niemand mehr ihre Qualität beurteilen kann. Wie auch, wenn sich alles nachweislich irgendwie immer gleich anhört und kein musikalisches Können dahinter steckt? Den maximalen Verkaufspreis kann man nur noch im Einzelhandel für eine CD verlangen, wenn die Musik frisch erschienen ist.

Aus genau diesen Gründen ist Harmonik nie urheberrechtlich geschützt. Es gibt keine „Urheber“ für Harmonik, das ist Allgemeingut, aus dem sich jeder bedient. Es ist völlig unwichtig, ob sich die Songschreiber wissentlich auf alte Titel beziehen oder nicht (z.B. der ehemalige Hobbymusikproduzent Cro mit dem Song Easy, der die selbe Akkordfolge der ersten Hälfte aller Akkorde des Songs Sunny von Bobby Hebb enthält und die später auch zitiert wird) und der Song „losgelöst“ davon zu Hause oder im Probenraum oder Studio entsteht, weil das Funktionsprinzip der Rekursionsharmonik längst von uns allen verinnerlicht wurde. Cro produzierte inzwischen längst weitere Erfolgssongs fürs Radio in seiner Wohnung nach der selben Bastelanleitung: vier zufällige Akkorde vom Computer rhythmisieren lassen, bis zum Songende wiederholen und irgendwas drübersingen, vielleicht noch eine andere Akkordfolge als Rekursivblock im Refrain verwenden. Welche Blöcke ausgewählt werden, entscheidet somit die soziomusikalische Allgemeinbildung, also die im Laufe des Lebens erworbene quantitative Songkenntnis insbesondere der großen Hits, Erfolgstitel und persönlichen Lieblingslieder. Deshalb kann heutzutage niemand mehr völlig unbefangen, also „losgelöst“ von solchen Voraussetzungen, Songs komponieren, die zur Popmusik und ihren Artverwandten zu rechnen sind. Alle SongschreiberInnen bzw. MusikproduzentInnen, die keine Instrumente mehr spielen, sondern nur noch den Computer mit Referenzkeyboard und Effektgeräten bedienen, haben irgendwelche Vorbilder, denen sie nacheifern, niemand ist ein unbeschriebenes, weißes Blatt Papier.

Ein weiteres Beispiel: Culture Beat mit Mr. Vain sowie Snap! mit Rhythm is a dancer – beide Songs haben den selben Rekursivblock 6456 für den gesamten Song (das Intro ausgenommen) und sogar die selbe Tonart! Die Songs sind extrem ähnlich und man darf mutmaßen, dass der von beiden Songs früher veröffentlichte dem anderen als Kopiervorlage gedient hatte, weil er ja so erfolgreich war und Harmonik bekanntlich nicht urheberrechtlich geschützt ist. Mit Songwriting hat das nichts mehr zu tun, das ist automatisierte Schallbastelei. In der technoiden und Dancemusik sind ansonsten die Rekursivblöcke 4566 und 6645 absolut typisch, werden im gesamten Song ohne Ausnahme wiederholt und sind zwei Takte lang. Dutzende Songbeispiele beweisen das in der Liste. >>One great exercise, used by Paul Simon, is to play a harmony to an existing melodiy, then change and develop it until it becomes a totally different song.<<[17] Das macht nicht bloß Paul Simon so, das macht jeder so, sei es absichtlich oder unbewusst, sonst gäbe es diese Technik der Rekursionsharmonik mit Massen von Songs nicht, die alle das selbe Harmonieschema benutzen.

Jeder Radiosender mit Schwerpunkt Rockpopmusik fällt darauf herein, weil in den Musikredaktionen niemand eine musikalische Ausbildung (vor allem Gehörbildung, Harmonielehre und Musiktheorie) durchlaufen hat, sondern ausschließlich journalistisch ausgebildet wird. Mit den Radiosendern fallen anschließend alle RadiohörerInnen und Musikkonsumenten darauf herein, die solche Musik kaufen, die über das Formatsenderradio bekannt gemacht wird. Mainstream eben, leichtes Lauschen (= easy listening, so werden im Englischen Schlager bezeichnet). Die Radiolandschaft, deren ModeratorInnen und Produzenten und die darin untergebrachten Bands, Labelchefs, A&R-Manager, vor allem MusikjournalistInnen (RedakteurInnen) mit ihren multiplikatorischen Schlüsselfunktionen, die Musikproduzenten und das Konsumverhalten der MusikkäuferInnen sind ein riesiges Netzwerk von Leuten amusikalischer Dekadenz, die alle nichts von Musiktheorie und Harmonielehre verstehen und keinerlei musisch geschultes Gehör haben, damit ihnen so ein harmonischer Betrug überhaupt auffallen könnte. Das geht bis zu den Jurymitgliedern des Eurovision Song Contest (früher genannt Grand Prix de la chanson d’Eurovision), dessen Austragung im Fernsehen, national wie international, eigentlich durch eine Austragung ausschließlich im Radio ersetzt werden müsste, weil inzwischen vorrangig die Beeindruckung über das Auge das Ergebnis nachhaltig manipuliert anstatt musischer Sachverstand, der bei Fernsehkonsumenten grundsätzlich nicht vorliegt (wenn sie nicht selber beruflich Musik machen). Die Interpretenfigur und ihre visuelle Darbietung wird prämiert, nicht die Qualität des Songs. Dieser Text über Rekursionsharmonik ist meine Anklage an die derzeitigen Gepflogenheiten und trägt vielleicht dazu bei, dass ein kritisches, musikalisches Bewusstsein im Umgang mit Harmonik in Songs bis zum Laien und Hobbymusiker vordringt und sich alles das möglicherweise irgendwann ändert. Tipps dazu kommen gleich.

Einen größeren Bogen spannen die harmonischen Sequenzen, die dann nicht mehr nur 4, sondern gerade mal 6 oder 7 Akkorde haben, nur stehen Sequenzen an anderer Stelle dieses Buches und sind, wenn sie ebenfalls exzessiv verwendet werden, in ihrer Mechanik auch nur Wiederholungsmuster eines intervallischen Bauprinzips. Allerdings kennt sich damit so gut wie niemand aus und bis auf zwei sehr populäre von ihnen – die Quintfallsequenz (mit Quartstieg) und die Pachelbelsequenz – werden alle anderen konstruierbaren und selten bis gar nicht durch Songbelege nachweisbaren Sequenzen eigentlich überhaupt nicht genutzt, weil sie niemand kennt und vor allem kompliziertere Denkvorgänge voraussetzen, um sie zu konstruieren.

Eigene Umgangsweisen mit Rekursivblöcken

Eine Sammlung von Songs, die über ihr Harmonieschema als Zahlenblock dargestellt und sortiert werden, ist bislang noch nie irgendwo veröffentlicht worden und insofern ist diese hier eine gewaltige Fundgrube in aktiver wie passiver Hinsicht. Ich habe das oben schon angedeutet (Grund 2). Wer passiv damit umgeht, benutzt die Liste wie ein Telefonbuch und schaut bei Songs, die Rekursivblöcke enthalten, darin nach, um seinen Verdacht bestätigt zu finden oder ein neues Songbeispiel zu ergänzen (denn die Kriterien dafür sind oben definiert). Wer aktiv damit umgeht, überprüft beim Songwriting das eigene Kadenzmodell, vergleicht es mit der Liste und stellt dann fest, dass es entweder schon vorhanden ist und etliche Songs damit komponiert wurden (oder eben nur sehr wenige?) und ändert darauf hin das eigene Konzept ab, um eben nicht wie die anderen zu klingen – oder lässt genau das bleiben, um gerade erst wie bewährte Modelle zu klingen Sich dabei zu erwischen, dass man so klingt wie all die anderen („Das kommt mir so bekannt vor..!“) und dann zu entdecken, woran das liegt, kann sehr heilsam für die Kreativität sein!

Ein zweiter Weg damit aktiv umzugehen ist das Heraussuchen von Lücken in der Vollständigkeit der Songbeispiele. Da die Rekursivblöcke sowohl bei den Songbeispielen als auch in der tabellarischen Übersicht alle numerisch sortiert sind, ist das ganz leicht: es gibt (bis auf weiteres, versteht sich!), keinen Song mit einem Rekursivblock, der so aussieht: 1243, 1354, 6524, 6431 usw. usw, da braucht man eigentlich nur in die Zahlenliste schauen, wo genau vermerkt ist, welcher Block schon ein Songbeispiel hat. Außerdem ist es möglich, gerade bei den ganz seltenen Fällen, die nur ein bis fünf Beispiele haben, nachzuhören, wie die Bands diesen Rekursivblock eigentlich instrumentiert und eingebaut haben, wie die Gesangsmelodie darüber liegt und wie die Basslinie geformt wurde, um sich inspirieren zu lassen. Bei den Blöcken, wo massenweise Songbeispiele oder zumindest sehr viele vorliegen (z.B. 1564, 6415 oder 654+3), ist das deutlich weniger reizvoll, weil alles schon bekannt ist.

>>Bitteschön: Popmusik ist ein Handwerk und es wird auch wie inna Manufaktur hergestellt. Vor allem wenn man auch mal begreift, dass die einzelnen Formeln bestimmte Aussagen haben. Das heißt, die eine Formel is wunderbar für Balladen geeignet, die andere Formel is sehr schön für den richtigen Radiohit, und die andere Formel wenns eben so Underground sein soll. […] Wenn ich sofort weiß, wenn ich ins Radio will, solltich ne bestimmte Formel nich machen und diese Formel hier is z.B. mit Sicherheit sehr hilfreich wenn ich sie anwende.<<[18]

Ich widerspreche dieser Aussage heftig, denn ich kann mit meiner eigenen Songsammlung tausender Beispiele hier das Gegenteil beweisen. Keine Formel ist besser oder schlechter fürs Radio oder ne Ballade oder sonstwas geeignet, weil das entgegen der Aussage von Kramarz überhaupt nicht in der Formel selbst begründet liegt, sondern an der Art ihrer Verwendung. Die Machart, Emotionalität, Vermarktungsstrategie, die Vokalstimme, der Songtext, das Image der Interpretenfigur, sogar das CD-Cover und mehr noch entscheiden in ihrer Summe, welches Zielpublikum mit einer Formel angesprochen und wie erfolgreich ein Song wird. Dazu braucht man sich nur mal von den statistisch meistverwendeten Rekursivblöcken einen rauspicken (z.B. 1564, 1645, 1425, 6415, 6154, 6152 und weitere) und innerhalb dieser mal schauen bzw. hören, zu welcher Kategorie die Songs gehören: Ballade? Soul?, Hardrock? Hit? Underground? Popgruppe? Alternativerock? …? Kramarz widerspicht sich in seinen Aussagen im Verlauf des Interviews und behauptet einerseits, Formeln seien quer durch alle Genres vertreten (was ich bestätige) und spricht andererseits von „bestimmten Aussagen“.

Ein Block für alles: das T

Zu Anfang dieses Themas wurden die Formteilbuchstaben erneut genannt, damit für einen Rekursivblock nicht bloß nachgewiesen wird, dass er überhaupt in einem Song vorkommt, sondern damit auch deutlich wird, in welchen Formteilen ein Rekursivblock vorkommt und er somit besser zu finden ist. Nun haben wir dieses T, das die Totalverwendung angibt. Der gesamte Song wurde also ausschließlich mit dem angegebenen Rekursivblock komponiert oder am Rechner mit Kopierverfahren zusammengebastelt. Durch diese Liste ist nachweisbar, dass das Musikgenre die geringste Rolle dabei spielt, für einen Song eine einmal gefundene Akkordfolge aus drei oder vier verschiedenen Akkorden permanent zu wiederholen. Wichtiger ist, dass es zwei Umgangsweisen damit gibt. Entweder wird tatsächlich nur das Grundgerüst aus Bass, Keyboards, Groove, Drums und vielleicht noch Füllstimmen kopiert kopiert kopiert kopiert ko… und darüber dann mit wenig Variationen der Ober- oder Außenstimmen plus Gesang der Rest gestaltet, oder es wird ein Rekursivblock nur schematisch und nicht 100%ig kopiert. Dann bekommt der Song noch den Eindruck, live gespielt worden zu sein (z.B. Coldplay mit Viva la vida oder die Foo Fighters mit Wheels) oder wird auch so noch live gespielt. In beiden Fällen müssen über immer dieselben drei bis vier Akkorde sämtliche Melodien improvisiert und komponiert werden. Es ist schwierig, dann noch Formteilgrenzen deutlich zu machen, weil traditionell grundsätzlich gerade die Harmonik konstitutiv und ein Indiz dafür ist, einen Formteil zu markieren und die Grenzen zwischen zweien herauszustellen. Wenn die harmonik schon nicht mehr dafür in Frage kommt, der Groove aber beibehalten wird, bleiben nur noch Generalpausen, zugespielte Melodiemotive, Drumfills, Instrumentationsvariationen, Arrangementänderungen usw. Inerhalb einer Band ist das kein Problem, aber im Studio am Rechner ist das reine Bastelarbeit.

Wer auf die Schnelle einen Song produzieren will, pickt sich aus dieser Liste irgend eine Nummer raus – am besten eine, die nur ganz wenige oder gar keine Beispiele hat und wenn es garantiert hitverdächtig werden soll eine, die extrem viele Songbeispiele hat – und improvisiert darüber mindestens drei eigenständige Melodien. Sind sie zugkräftig oder „gut“ genug, überzeugend, dann können alle drei für die Akkordfolge verwendet werden, indem sie für die drei wichtigsten Formteile Strophe, Bridge und Refrain eingesetzt werden. Man sollte sich überlegen, ob man pro Takt, pro Halbtakt oder pro Doppeltakt diese Akkordfolge verwenden möchte, was aber für die Formteilwechsel selbstverständlich noch geändert werden kann. Je nach Genre wird das ganze Bastelwerk instrumentiert, in Taktart, Tempo und Rhythmus bearbeitet und fertig ist der Song, sofern an einem Text nicht noch gearbeitet werden muss, der ja auch nur mal so eben sinnfrei improvisiert sein kann.

Das ganze liest sich wohl ironisch, aber faktisch wird es in der Musikbranche exakt so gemacht. Man kann immens Zeit sparen, wenn man sowieso gerade keinen Einfall hat und nur altes Zeug im Probenraum herumspielt. Es gibt hunderte Songs in der ganzen Liste verteilt, die ausschließlich mit diesem T ihre gesamte Harmonik bestreiten und in denen sich sonst überhaupt nichts ändert: Rockbands, Singersongwriter, Discohits, Popmusik, Soul, Black Music, Boygroups, alles ist dabei. Wenn man dann noch von „Songwriting“ spricht, ist das eigentlich Zynismus, weil es bei diesem Verfahren bloß um Rohmassenverarbeitung geht, mit Kreativität aber kaum noch etwas zu tun hat. Niemand kann bewusst mit Rekursionsharmonik arbeiten, weil diese Technik ja gar nicht bekannt oder bewusst ist – bis jetzt nicht! – intuitiv aber geschieht das seit Jahrzehnten, weshalb es jetzt endlich an der Zeit ist, dieses Thema einmal kategorisch aufzuarbeiten und musikwissenschaftlich zu beleuchten.

Parallelprogression:

Eine Akkordverbindung erhält diese Bezeichnung, wenn alle 4 Akkorde in nummerisch korrekter Reihenfolge vorkommen (z.B. 1234, 6543, 4321, 3456 und andere). Wenn nur 3 von 4 Akkorden parallel verschoben wurden, ist der Hinweis eingeklammert (Parallelprogression). Dieses Stichwort wird im theoretischen Teil des Buches präzise erklärt.

Musikwissenschaftliche Fragestellungen

Als Nebenprodukt ist diese Songliste eine Anregung für weitergehende musikwissenschaftliche oder musiktheoretische Untersuchungen, die für das kompetente Songwriting aber uninteressant sind, z.B.:

  1. Gibt es Modeerscheinungen, in welchen Jahren oder Jahrzehnten welche Kadenzen bevorzugt wurden?
  2. Welche Genres und Stile (außer den bereits genannten) sind typisch für bestimmte Kadenzen?
  3. Warum werden gewisse Blöcke nur für Bridge oder Refrain reserviert und nie für die Strophe?
  4. Ist es Zufall, dass der erste oder Durchbruchhit eines neuen Künstlers einen seltenen oder ungebrauchten Block benutzt?
  5. Besteht irgendein Zusammenhang zwischen Rhythmik und Rekursivblock oder Künstlergeschlecht?
  6. Wenn ein Rekursivblock nur in einem einzigen Formteil verwendet wird, ist es dann immer de Refrain?
  7. Haben Songs, die im ganzen Verlauf nur im Refrain und sonst überhaupt nicht einen Rekursivblock verwenden, sonstige Gemeinsamkeiten?
  8. Unterliegen die Mengenverhältnisse an Songs zwischen Dur und Moll modischen Erscheinungen?
  9. Enthalten die Promo-CDs für DJs und Radiostationen tendenziell Rekursivblöcke?
  10. Verwenden seit Jahren etablierte, aber in sogenannten Sparten agierende Bands und Interpreten bewusst Rekursionsharmonik, um endlich mal über das Radio einem Massenpublikum bekannt zu werden?
  11. Wie sind Rekursivblöcke im Gesamtwerk (alle Alben) von Bands und SolokünstlerInnen verteilt? Tote Megastars böten sich hier zur Untersuchung an (Beatles, Bee Gees, Queen, Michael Jackson, Whitney Houston, Jimi Hendrix, Curtis Mayfield, Bob Marley, Eternal, Toto uvam.)
  12. Welches Verhältnis haben innerhalb des Repertoires eines einzigen Künstlers die Totalnutzung von Rekursivblöcken (T) gegenüber der Formteil bezogenen Nutzung?
  13. Warum werden haufenweise Rekursivblöcke überhaupt nicht genutzt?

Zustandekommen der Rekursivblocksammlung

Ich habe alle Songs per Gehör klassifiziert, weil es in den seltensten Fällen Noten dazu gibt (Songbooks) und es vom Arbeitsaufwand her überhaupt nicht leistbar ist, bei über 6000 Songs die wenigen vorhandenen aufzutreiben (Kaufen? Leihen? Internet?) und nachzusehen.[19] In der Systematik wird bei den betroffenen Rekursivblöcken ein Hinweis gegeben, wenn sie zusätzliche Merkmale vorweisen, die analytisch und musiktheoretisch interessant oder sonstwie auffällig und hervorstechend sind. Immer wieder gehören Rekursivblöcke mehreren klassifizierbaren Themengebieten an. Rekursivblöcke können somit Ausschnitte oder Teilbereiche großer oder längerer Harmoniefolgen sein, die bereits Namen bekommen haben oder musikwissenschaftlich bekannt sind. (z.B. Quintfallsequenz, La Folia-Formel, Pachelbelkanon, Flamencokadenz usw.). Die Zahlenblöcke ohne Songbeispiel sind aus Übersichtlichkeit und musikalischen Gründen, wie sie oben schon angesprochen wurden, auf die Tonstufen 1 bis 6 reduziert worden. Alle anderen Akkordstufen von 7 bis Z (zwölf) tauchen nur dann auf, wenn für sie wenigstens ein Musikbeispiel entdeckt wurde. Die erste Sortierung mit vier verschiedenen Akkorden sowie diejenige mit den klammernden Blöcken ist statistisch vollständig, nicht aber die alternierenden und Geminatenblöcke, weil das optisch den Zusammenhalt zerrisse. Es gibt dafür rechnerisch einfach viel zu viele mögliche und ungenutzte Zahlenkombinationen. Die Originalkünstler stehen an erster Stelle, dahinter eventuell Coverinterpreten. Es ist dabei nicht ausgeschlossen, dass ich eine Coverversion für ein Original halte, weil mir dieses gar nicht bekannt ist. Eine sehr gute Recherchemöglichkeit nach Originaltiteln und ihren Interpretationen über die Zeit seit ihrer Veröffentlichung bietet die Webseite coverinfo.de.

Diese Liste und Songsammlung bleibt bei aller Masse selbstverständlich immer noch nur eine nicht repräsentative Auswahl (s.u.), denn es handelt sich fast ausschließlich um angloamerikanische Songs, die längst nicht alle in Deutschland bekannt sind (besonders im Block 1564) und fast nur aus den letzten 30 Jahren stammen. An Songbeispiele aus dem europäischen bzw. weltweiten Ausland ranzukommen, die nicht international in ihrer Landessprache Erfolg haben, ist stark eingeschränkt, weil es in Deutschland hierfür kaum einen Markt gibt und sie deshalb weder im Formatsenderradio noch im regulären Verkauf landen, in den Medien einschließlich Fernsehen überhaupt nicht wahrgenommen werden und bestenfalls über einen auf ausländische (Musik-)Kultur spezialisierten Radiosender wie „WDR5 Funkhaus Europa“ eine kleine Chance haben, beachtet zu werden (z.B. Natalia Kukulska aus Polen, Ophélie Winter und Yodelice aus Frankreich, Goran Bregovic aus Bulgarien, Paola & Chiara sowie Pino Gulino aus Italien, Bora Uzer oder Tarik Mengüç aus der Türkei, Jarabe de Palo aus Südamerika, Carlos Ponce aus Cuba, Distemper (Skarock) aus Russland). Das gilt natürlich in jedem Land genauso, wo ja auch nicht aus aller Herren Länder gleichmäßig Musik verbreitet wird (scheitert schon an der Sprachbarriere) und galt für mich während der Arbeit an dieser Liste durch die willkürliche Auswahl der Songs. Es gilt rückwirkend für die Leserschaft, die ja ebenfalls zur Überprüfung oder zum Nachvollziehen an diese Stücke rankommen muss. Natürlich ist es immer noch besser, wenigstens überhaupt irgend einen Beleg für einen sehr seltenen Rekursivblock und einen harmonischen Sachverhalt zu haben als gar keinen; insofern sind solche Raritäten grundsätzlich immer wieder integriert worden, selbst wenn sie nur sehr schwer zu beschaffen sind (es soll ja fachlich korrekt bleiben). Aus dem selben Grund der Überprüfung und Nachvollziehbarkeit wurden nur industrielle Produktionen etablierter Bands und KünstlerInnen berücksichtigt, die bei einem Plattenlabel mehr als ein einziges Album produziert haben und wo die (Wieder-) Beschaffbarkeit auch per Internet weitgehend gesichert ist. Deshalb fallen alle Aufnahmen mit Kleinstauflagen weg, wie sie bei Livekonzerten semiprofessioneller und amateurhafter Bands verkauft werden, die nur lokal bis regional in Kneipen und Musikclubs auftreten. Der Bekanntheitsgrad der Songs oder Interpreten war für die Liste völlig irrelevant; ich habe wahllos alles, was ich erkannt habe, eingetragen. Ich habe nur besonders auf Ausgewogenheit der Genres geachtet und nicht nur Mainstreamradio gehört (wo die meisten Rekursivblöcke zum Einsatz kommen), sondern gleichfalls Sparten- und Szenemusik integriert (Punk, Skapunk, Alternative, Metal, EBM, Independent, Gothic, Soul, Reggae, Hiphop etc.). Meine Quellen dafür waren Spartensender im Internet (ich nutzte massiv das Radioprogramm WinAmp, das extrem viele Genres und Sparten zur Auswahl anbietet), CDs von Freunden, eigene CDs und auch Discobesuche (der DJ gibt mir auf Nachfrage die Titel). Wichtig war zusätzlich, dass Songs von Alben enthalten sind, die nie als Single veröffentlicht wurden und eben auch nur auf den Alben und eventuell im Internet einzeln zu finden sind. Nicht aufgelistet sind alle Blöcke, die nur aus den Akkorden 1, 4, und 5 in Dur (Ausnahmen: 1454, 1415 und 1545) oder in moll 2, 3, und 6 bestehen, weil das lediglich die uninteressanten Grundkadenzen sind und somit meistens Bluesharmonik angewandt wird, selbst wenn der Musikstil gar kein Blues ist oder das etablierte Bluesschema nicht explizit vorkommt. Ein Beispiel dafür ist der Song We’re not gonna take it von der Hardrockband Twisted Sister, der nur drei Formteile hat (S, R, G), die alle diesen Harmonieverlauf haben: 1514 1515. Diese 8 Takte werden als Block im ganzen Song immer wiederholt.

Kein Block ist Variation eines anderen

Im Gegensatz zur Auffassung von Volkmar Kramarz[20] darf bei statistischer Vollständigkeit und dem Überblick über die kategorisierbarsten Rekursivblöcke nicht mehr davon gesprochen werden, dass eine Formel eine Variation einer anderen sei, weil dies Prioritäten impliziert, dass z.B. irgend ein Kadenzblock zuerst auf dem Markt war und dann Abwandlungen vorgenommen wurden. Sowas ist aber prinzipiell nicht nachweisbar. Jeder Rekursivblock steht grundsätzlich neutral und isoliert für sich allein. Selbst die seltene Namensvergabe sehr populärer Blöcke berechtigt nicht dazu, ähnliche Blöcke als deren Varianten zu definieren, weil der Begriff der Variation immer eine Rückbezüglichkeit zum Original mit einschließt und diese Rückbezüglichkeit ebenso in keinem Fall nachweisbar ist. Allenfalls lässt sich innerhalb des selben Songs belegen, dass eine Harmoniefolge zur Vermeidung von Monotonie bei ihrer Wiederholung variiert wird, so z.B. bei Evanescence im Song Taking over me, wo nicht 4x hintereinander im Intro und Refrain 6654 erklingt, sondern 6654 gefolgt von 6634 und dann erst dieser achttaktige Block wiederholt wird. Das ist dann tatsächlich eine Variation der Akkordabfolge. Und zuletzt muss für kritisch nachhörende Ohren noch ergänzt werden, dass die Harmonik freilich immer vom Grundakkord ausgeht, der im Einzelfall nicht erklingen muss. Varianten sind über Quintquartakkorde (Sus-Akkorde) und sowieso leere Powerchords in der Rockmusik völlig üblich und werden nicht noch extra angemerkt, solange es sich nicht um Umkehrungen oder Frakkorde (Slashchords) handelt.

Selbstkritik an der Liste

Schließlich ist an Selbstkritik unvermeidlich, dass ich mit dieser Liste keinen Maßstab setze, da ich z.B. keine Salsa, keinen Country, keinen Surfrock, keinen Rockabilly, Psychobilly, Garage, Triphop, Bigbeat, Afropop, indische Bangra- und Bollywoodmusik, Bluegrass, New Age, Musicals, Sakropop (Gospels), ums Verrecken keine Schlager und vieles andere einfach nicht höre und mir deshalb solche Musik überhaupt nicht oder höchstens rein zufällig in die Hände fällt, um dort Rekursivblöcke entdecken zu können. Dass erstaunlich viele Blöcke kein einziges Songbeispiel haben, heißt also nicht automatisch, dass es dafür keine Songs gibt, sondern dass ich dafür in meinem eh schon sehr breit anglegten Genrespektrum keine entdeckt habe. Für eine wissenschaftlich seriöse Statistik und Auswertung müsste systematisch, chronologisch und noch flächendeckender Musik durchgehört werden (mehrere bis alle Alben von Bands aus allen Genres), was eine Einzelperson gar nicht ökonomisch leisten kann, sondern nur Heerscharen von musiktheoretisch kompetenten Fachleuten mit dem entsprechend ausgebildeten Gehör dafür, die sich in bevorzugten Genres mindestens gut auskennen. Schon das Besitzen oder Ausleihen von Alben ist als primäre Informationsquelle das Hauptproblem. Ich bin kein Plattensammler und kenne keinen, aber die ca. 1000 CDs in meinem Besitz habe ich selbstverständlich alle durchgehört. Ein Plattensammler verleiht seine Alben nicht, ein Musiker würde sein Hauptinstrument auch nicht verleihen. Es bliebe die Nutzung von Schallarchiven, die – von Stadtbibliotheken mit CD-Verleih abgesehen, der wegen der GEMA-Gebühren pro CD immer Geld kostet – aber alle nicht öffentlich und nur in Ausnahmefällen wissenschaftlich zugänglich sind (insbesondere Rundfunkarchive und Institutsarchive der Universitäten). Insofern ist diese üppige Songliste nicht allgemein repräsentativ, um statistisch unverfälschte Angaben über die Verwendung von Rekursionsharmonik zu erhalten. Für Musik schließlich, die in der Liste nicht auftaucht, weil sie sowieso keine Rekursionsharmonik enthält, kann schlecht der Nachweis erbracht werden, dass sie überhaupt gehört wurde, um das zu behaupten (Meditationsmusik, Minimaltechno, Drum’n Bass, Hardcore, Heavymetal und Jazz finden sich nicht in der Liste, weil diese Genres nun wirklich gar nichts mit Rekursionsharmonik zu tun haben). In der Wissenschaft ist dieses Problem bekannt und nennt sich „Selektionszwang der Subjektivität des Autors“. Diese besagt, dass es völlig wurscht ist, welche Auswahl der Autor trifft, wenn die Menge viel zu groß ist, um vollständig berücksichtigt zu werden – die Auswahl ist immer eine Zwangsbegrenzung, die vom Platzmangel des Mediums, in dem etwas veröffentlicht wird, und der Zeit zum Sammeln und Forschen bestimmt wird. Somit ist diese Liste erstmal nur die Pionierleistung einer Einzelperson, um überhaupt irgend welche verwertbaren Aussagen machen zu können. Vergleiche zwischen den hier genannten Songs und meinen geschmähten Genres sind mit dieser Liste also nicht möglich. Desweiteren habe ich eine stilistische Zuweisung der Songs nach Genre aufgrund der Blocknummer mit zwei Ausnahmen (6645 und 6456) vermieden, weil sich die entweder nicht lohnt oder meistens spekulativ ist, wenn sich Bands und Künstler nicht eindeutig sortieren lassen und zu mehreren Genres gerechnet werden müssten. Immer wieder aber kommt es vor, dass ich in Klammern hinter einem Bandnamen ein Genre angegeben habe, weil der Name absolut exklusiv und nur einer Minderheit bekannt sein dürfte (z.B. im Genre Punk, Alternative, Gothic, Futurepop und House) oder sowieso aus dem Internet, einer Szenedisco und nicht dem Radio stammt.

Die 5 Klangbeispiele

Vom Lesen einer langen Bandliste, in der immer wieder Formteilbuchstaben stehen, wird man sich kaum vorstellen können, wie ein und das selbe Harmonieschema – der Rekursivblock – in so unterschiedlichen Songs tatsächlich klingt, wenn Tempo, Rhythmus, Taktart, Stilistik, Genre, Grove, Sound, Alter und weitere Eigenschaften der Musik eine Rolle spielen. Deswegen habe ich für 5 Beispiele Abmischungen zusammengestellt, die man sich nun anhören kann. Ihre Songs sind alle in der Gesamtliste enthalten, so dass der zu hörende Ausschnitt dort mit seinem Formteilnamen zu finden ist.

Die Flamencokadenz 654(+)3

(Formteilangaben gelten für den Song, nichtnur  für den Hörausschnitt):
Lighthouse Family: Run (S, R), Rapsoul: Laura (I, S, R 66/5X[43]), Camouflage: Love is a shield (I, S 66665433), Flip Da Scrip: Throw ya hands in the air (T 6[-5/117]4[3+3]), Alan Parsons Project: Somebody out there (R), Seether (Hardrock): No Jesus Christ (R, O), Amel Bent: Je reste seule (T), Hall & Oates: Maneater (R), A-Ha: Summer moved on (R 654[3Q+3]), The Shapeshifters: Instead of falling (I, S, R), Cappuccino: Du fehlst mir (T), Diego Torres: La ultima noche (I, S, R, G, B2), Massive Töne: Chartbreaker (T), Katie Melua: Crawling up a hill (I, S, R, G), Kelly Joyce: Vivre la vie (I, R 66/54[23]), The Turtles: Happy together (S), Lââm: Mélancholie (R), P!nk: Love is such a crazy thing (I, R), Paola e Chiara: Amare di più (T), David Bowie: China girl (I, S), Dakaneh feat. Phone (span.Hiphop): Spanish dansall queen [sic!] (T), Die Fantastischen Vier: Einfach sein (T)

6423 – die Mollversion von 1645

Imperio: Atlantis (T), Stratovarius: Millennium (R), Hurts: Wonderful life (R), Auto Auto (EBM): Where the buffalo roam (R), Funeral for a friend (Alternative): Sonny (S), Eisbrecher: Herz steht still (S, R 642[43]), Jean Michael Jarre: Equinoxe 4 (R), Jude Cole: Start the car (R 642+3), Anthony Weedon: Street man (R)

4566 – Geminatenblock in Moll mit “wirkungslosem” klassischem Trugschluss

Maria Mena: Your glasses (S, R, Z), Prince Ital Joe feat. Marky Mark: Happy people (I, R), Nana: I’m lonley (T), ABC: The look of love (I, R), Toto: Georgy porgy (S), Funeral for a friend: The end of nothing (R), Celine Dion: Destin (R), Marcia Hines: Makin‘ my way (R), Paola e Chiara: Viva el amor (R), Johnny Gill: Giving my all to you (I, R), Steven Delopoulos: Seasons (S), Jane Fostin (frz. R’nB): Le temps est assassin (R 45+6+6), Fleetwood Mac: Oh daddy (R)

1844 (Formteilangaben gelten für den Song, nicht nur für den Hörausschnitt)

Vertical Horizon: Japan (I, S, Z), Edwin McCain: Sun will rise (I, R) & Get out of this town (I, S, R), Lynyrd Skynyrd: Sweet home Alabama (T), Fleetwood Mac: Don’t stop (R, S & G 1844~55), Lionel Richie: Dancing on the ceiling (S), J Geils Band: Centerfold (I, S, R), Sting: If i ever lose my faith in you (S), Bruce Hornsby: The way it is (R), Carry the water (I, R, G), Clawfinger: Bitch (S), Alanis Morissette: Unsent (T 1844~6655)

1465 (Formteilangaben gelten für den Song, nicht für den Hörausschnitt)

Carlos Ponce: Escúchame (I, S), Toto: Stop loving you (I, R), The Corrs: Radio (R), Hooters: Hanging on a heartbeat (S), Roxette: Run to you (R), Boston: More than a feeling (R), Mike and The Mechanics: Now that you’ve gone (R), Pur: Dass es dir leid tut (Rf), Paola e Chiara: Per te (I, R 146 [45]), Maria Mena: Just a little bit (R), Edwin McCain: Darwin’s children (I, S, R, G, 14251465), Celine Dion: Cherche encore (R), Reamonn: Million miles (R), Sheryl Crow: Strong enough (I, S, Z)

1564 – der meistverwendete Rekursivblock der Welt

Hierzu gibt es im Internet sehr viele Zusammenstellungen einschließlich der Parodien von der Komik-Band Axis of Awsome, deren Titel bei diesem Livevideo alle eingeblendet werden. Wenn man bei YouTube den Suchbegriff 4 chords eingibt, wird man viele viele weitere Parodien, Zusammenstellungen und Nachahmer entweder genau dieser 4 Akkorde finden (1564) oder Spaßversionen anderer Akkorde, in beliebiger Qualität vom Laien und Dilettanten bis zu könnerhaftem Gesang. Die Songauswahl bringt darin meist nur einen sehr kurzen Ausschnitt, der keineswegs der ganze Formteil ist, sondern auch dann eingebaut wurde, wenn die parodierte Floskel ohne Wiederholungen nur ein einziges Mal im Formteil vorkommt. Das ist alles sehr amüsant und man wird feststellen, wie oft man bereits mit dem selben Trick überlistet wurde, weil einem alles bekannt vorkommt. Viel Spaß…

Quellenangaben, Fußnoten

[1] Werden bei Wolf Burbat („Die Harmonik des Jazz“ Seite 145) Vamp genannt

[2] ebenda Seite 224

[3] V.Kramarz: Harmonieanalyse der Rockmusik. Schott, Mainz 1983 S 113f

[4] Jaffe, Andy: Jazz harmony. Advanced Music, Tübingen 1996, S.105. vi, ii und V sind die in der amerikanischen Musiktheorie verwendeten römischen Stufenbezeichnungen für Moll und die verdurte dritte Stufe in der ChS (+3=V)

[5] Frank Sikora, Neue Jazzharmonielehre, Schott,  S.226

[6] Diether de la Motte: Harmonielehre S.222

[7] Kramarz im Radiointerview mit dem Domradio Köln

[8] Frank Sikora, Neue Jazzharmonielehre, PDF-Datei zu Rhythm Changes Seite 1

[9] Ricky Rooksby , Volkmar Kramarz 2006, Frank Haunschild Band 2 1992 & 1998 sowie Andy Jaffe

[10] Volkmar Kramarz hat mit seinem Buch „Die Popformeln“ zwar grundsätzlich dieses Thema in den Vordergrund gestellt und ist mir damit während meiner Arbeit an diesem Buch leider zuvorgekommen, allerdings hat diese Veröffentlichung einen vollkommen naiven pädagogischen und musiktheoretisch anspruchslosen Ansatz. Darüber hinaus wird das Thema nicht problematisiert. Jede Seite strotzt indes vor positivistischen Übertreibungen und es mangelt massenhaft an Kadenzmodellen und Musikbeispielen. Dieses Buch „Die Popformeln“ wurde vom Autor in mindestens einem Radiointerview als wissenschaftlich fundiert angepriesen, ist aber das Gegenteil, weil es nur einen winzigen Bruchteil dessen enthält, was ich hier zusammengetragen habe und sehr unsorgfältig als dritte Überarbeitung eines tatsächlichen Wissenschaftstextes nur zu Veröffentlichtungszwecken für eine unmusikalische, pubertierende Leserschaft seine Endfassung bekam. Auch diese Tatsache hat der Autor in einem Radiointerview zugegeben.

[11] Der vollständige Harmonieverlauf der Bridge sieht so aus: 6456 6455 6456 64+7+7=+3

[12]  Das ist entweder wortwörtlich gemeint oder so, dass der Formteil Bridge unverändert auch mehrmals im Song vorkommen kann, dann aber nie als Bindeglied zwischen S und R. Das ist bspw. so bei den Commodores mit Fancy dancer und vielen Stücken des frühen Funk.

[13] Gemeint sind alle Songs, die nicht zwingenderweise dem Bluesschema folgen und trotzdem nur aus den 3 Grundakkorden 1, 4, 5 in Dur oder 2, 3 & 6 in Moll bestehen und vielleicht sogar aus Mischungen aus beidem, ohne Rekursivblöcke zu bilden, z.B. Pe Werner: Lieb und teuer.

[14] Anfang Dezember 2008 gab es einen Rechtsstreit zwischen dem Gitarristen Joe Satriani und der Band Coldplay mit dem Plagi-atsvorwurf, der Bandsong „Viva la vida“ sei im Refrain die Kopie seines Songs „If I could fly“. Bei YouTube im Internet kann man dann allerdings beim Aufgriff dieser Thematik unzählige Videobeiträge finden, wo nachgewiesen wird, dass auch schon vor Joe Satriani Musi-ker das selbe Harmonie- und Melodieschama verwandten, darunter die Band Enanitos Verdes mit ihrem Song „Francés Limón“, der deutsche Dancepop-Noname Günther mit „Teeny weeny string bikini“ und als ältestes Vorbild sogar Cat Stevens im Song „Love heaven“!

[15] Aussprache getreuer Transkriptionsauszug aus einem Radiointerview (Domradio Köln), als Datei auf der Webseite von V.Kramarz selbst abgelegt (September 2010)

[16] Die Zeitschrift Musiker Magazin veröfftentlichte 2012 im Heft 3 Seite 46/47 ein Fallbeispiel der Elektroband Bodi Bill, die über legalen Download je nach Anbieter gerade mal 17-19ct an einem Song verdient und im Falle des Streamings bei Simfy 0,001248ct!!

[17] C.J. Watson: Songwriting, S. 68

[18]  Aussprachetreuer Transkriptionsauszug aus einem Radiointerview (Domradio Köln), als Datei auf der Webseite von V.Kramarz selbst abgelegt (September 2010)

[19]  Außerdem ist das Notenmaterial der Popularmusik prinzipiell schlampig, fehlerhaft, unvollständig und hat keinen Zitierwert, da es sich nicht um Transkriptionen oder Partituren handelt, sondern um stark vereinfacht dargestellte Klavierauszüge mit Gitarrengriffbildern. Ausnahmen dieser Erfahrung sind sehr dünn gesät.

[20]  Kramarz 1 sowie Radiointerviews